Erster Sonntag im Mai: Gelebte Schweizer Demokratie – Abstimmungen in der Landsgemeinde open air
An der Landsgemeinde versammeln sich die stimmberechtigten Bürger des Kantons. Sie ist das oberste gesetzgebende Organ des Kantons. Die Landsgemeinde entscheidet (also die Bürger entscheiden!!!) öffentlich durch hochhalten der Stimmkarten über die Verfassung, über Gesetzgebung und über größere finanzielle Angelegenheiten, wählt die Richter und den Staatsanwalt (und kann sie auch absetzen) und bestimmt die Höhe der Kantonalsteuern und einiges mehr.
Die Abrechnung der Staatsausgaben und das Budget werden immer in der Landsgemeinde behandelt.
Die Regierungsratsmitglieder werden zu einem früheren Termin an der Urne (geheime Wahl) gewählt. Aus dem Kreis dieser Regierungsratsmitglieder bestimmt die Landsgemeinde den Landammann und den Landesstatthalter. (Der Landammann ist der Vorsitzende der Kantonsregierung Regierungspräsident), der Landesstatthalter ist stellvertretender Regierungspräsident.)
Die Landsgemeinde wird vom Landammann geleitet, der sich nach traditionellem Brauch während der Verhandlungen auf das Landesschwert stützt.
Glarus gilt als der Kanton mit der direktesten Demokratie. Hier können die Bürger nicht nur mit ‚ja’ oder ‚nein’ abstimmen; Sie können selbst Anträge stellen und andere Anträge unterstützen, Abänderung, Ablehnung, Verschiebung oder Rückweisung fordern.
Die stimmberechtigten Bürger erhalten etwa sechs Wochen vor dem Termin der Landsgemeinde das ‚Memorial’, eine Druckschrift mit allen ‚Traktanden’, die an der Landsgemeinde zur Verhandlung stehen und einer genauen Beschreibung aller Geschäfte und Begründungen dazu, auch Gesetzentwürfe, über die abgestimmt wird.
Interessierte können sich das Memorial aus dem Internet herunter laden, zu finden in Suchmaschinen unter ‚Memorial Landsgemeinde Glarus 2014‘.
Die anwesenden Bürger können zu den einzelnen Traktanden ‚Einwürfe’ vorbringen. Sie melden sich zu Wort und sprechen ins Mikrofon auf der Rednerbühne in der Mitte des Rings. Nachdem alle Einwürfe zu einem Traktanden vorgetragen wurden, wird abgestimmt.
Im Kanton Glarus können seit 2007 bereits 16-Jährige an Wahlen und Abstimmungen aktiv teilnehmen. (Passives Wahlrecht ab 18.).
In Glarus wohnende Schulpflichtige und Heranwachsende, die noch nicht stimmberechtigt sind, dürfen direkt vor der Rednerbühne in der Mitte des Rings Platz nehmen. So sind sie dem Regierungspräsident und dem politischen Geschehen während der Landsgemeinde am nächsten.
Wer von Kindesbeinen an politische Entscheidungen miterlebt, wächst in die Fähigkeit, politisch entscheiden zu können, hinein. Wenngleich die Jüngsten die Inhalte noch nicht verstehen, so erleben sie doch die politischen Funktionsträger aus nächster Nähe. Und sie hören auch das, was nicht in das Mikrofon gesprochen wird.
Das ‚größere Mehr’ wird vom Landammann durch Abschätzen ermittelt. Im Zweifelsfall zieht er die vier weiteren Mitglieder des Regierungsrates hinzu. Nur wenn nahezu Stimmenpari ist, wird abgezählt. Das kann zur Sicherheit mehrmals geschehen. Das dann festgestellte Ergebnis ist dann endgültig und kann nicht angefochten werden.
Nach einem ungeschriebenen Gesetz stimmt der Landammann bei Stimmengleichheit gegen sich. Die Landsgemeinde in Glarus findet immer am ersten Sonntag im Mai unter freiem Himmel am Zaunplatz statt. Bei extrem schlechtem Wetter wird gilt normalerweise der zweite Sonntag als Ausweichtermin. Beginn ist um 9.30 Uhr. Ende ist, wenn alle Traktanden verhandelt wurden, meist um die Mittagszeit oder am frühen Nachmittag. Der Montag nach der Landsgemeinde ist immer arbeits- und schulfrei. Die Behörden haben geschlossen. Am Sonntag ist in Glarus ein Stadtfest mit großem Markt. Am Tag zuvor findet ein Flohmarkt statt.
Fotos in der Bildgalerie mit freundlicher Genehmigung kanton glarus– Staatskanzlei
Mehr Demokratie-Tour in die Schweiz
Mehr Demokratie lädt alle Mitglieder und Interessierten zu einer Fahrt in die Schweiz ein. Vom 2. bis 4. Mai geht es nach Aarau und Glarus zur dortigen Landsgemeinde. Das ist eine Versammlung aller stimmberechtigten Bürger/innen des Kantons Glarus. Sie berät und beschließt über Gesetzes- und Verfassungsänderungen sowie über die Höhe des Steuersatzes.
Herbert Greipl Neues Justizsystem