Heute: „Die Aliudentscheidung“ – Schon mal gehört ? … oder noch schlimmer: Bereits erlebt ?
2014-08-28
Pikantes aus dem Justizalltag
Heimtückische und beliebte Form der Rechtsbeugung
Eine besonders heimtückische, beliebte Form der Rechtsbeugung in Tateinheit mit Verfassungs-Hochverrat im Amt ist die sogenannte Aliudentscheidung, d.h. die Entscheidung eines anderen als des vorgetragenen Sachverhalts. Dass sie eine Tatbestandsberichtigung, auch –ergänzung beantragen können, ist vielen Rechtsuchenden unbekannt, so dass das Urteil mit dem falschen Sachverhalt oft rechtskräftig wird, obwohl es auf den wahren Sachverhalt, den der Richter hätte entscheiden sollen, gar nicht anwendbar ist.
Von A bis Z oder wie menschlich kleinkariert sind Juristen ?
Vermutlich kommt es auch fahrlässig oder unverschuldet zu Aliudentscheidungen aus Abhängigkeit, Ablenkung, Abscheu vor dem Justizwesen, Angst, Antipathie, Besserwisserei, Desinteresse, Ekel, Einflussnahme, Feigheit, fixen Ideen, Fremdmanipulation, Gedächtnisschwund, Gehorsam, Gleichgültigkeit, Hass, Ideologie, Irrtum, Konzentrationsmangel, Krankheit, Lebensüberdruss, Liebedienerei, Missverständnis, Niedergeschlagenheit, Parteipolitauftrag, Persönlichkeitsstörung, Projektion auf den Angeklagten, Rauschzustand, Schwerhörigkeit, Sprach-, Schreib- oder Denkstörungen, Überlastung, Übermüdung, Unaufmerksamkeit, Unlust, Unmut, Verachtung für die kleingeistigen Querulanten, „die sich um ihre Weihnachtsplätzchen streiten“ (Süßmuth), Vergesslichkeit, Verwechselung, Voreingenommenheit, Wahn, Widerwillen, Wirklichkeitsfehlwahrnehmung, Wunsch nach schnellster Erledigung der lästigen Rechtsstreite, Zeitmangel usw.
Rechtsbeugungsopfer über den Tisch gezogen, alle anderen sind zufrieden !
Die Aliudentscheidung hat den Vorteil, dass sie jedem Nichtkenner des wahren Sachverhalts überzeugend, plausibel und folgerichtig erscheint, so dass, außer dem Rechtsbeugungsopfer, alle sehr zufrieden mit ihr sind. Diese Stimmung beschreibt Wilhelm Busch in Balduin Bählamm (auszugsweise, leicht verändert):
Im Durchschnitt ist man kummervoll
und weiß nicht, was man machen soll.
Nicht so der Richter. Kaum mißfällt
ihm, wie die Sache sich verhält,
so knetet sich der Rechtsstaatsscheue
für Urteilszwecke eine neue.
Alsbald hat er sich stillbeglückt
ein Aliud zurechtgedrückt
und fühlt sich nun in jeder Richtung
befriedigt durch die eig’ne Dichtung.
Er führt sie in den Rechtsstreit ein,
verleiht ihr einen Wahrheitsschein
und weist damit den Antrag ab.
Gebeugt versinkt das Recht im Grab.
Peter Man About Town, Jurist