Stellungnahme zum Thesenpapier der Arbeitsgruppe „Sorge- und Umgangsrecht“

Gemeinsame Betreuung nach Trennung und Scheidung

Thesenpapier der Arbeitsgruppe „Sorge-und Umgangsrecht, insbesondere bei gemeinsamer Betreuung nach Trennung und Scheidung“ vom 29. Oktober 2019

von Horst Schmeil

2019-11-07

Dipl. Päd. Horst Schmeil nimmt Stellung. Foto: Heiderose  Manthey.


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Güstrow/Keltern-Weiler. Horst Schmeil, Dipl. Pädagoge, Verfahrensbeistand, Berater in Kindschaftsverfahren und Fachjournalist, kommentiert das von
acht Experten der Arbeitsgruppe „Sorge- und Umgangsrecht, insbesondere bei gemeinsamer Betreuung nach Trennung und Scheidung“ vorgelegte Thesenpapier. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz BMJV wird diese Thesen prüfen und auswerten.

Die jeweiligen Abstimmungsergebnisse der Experten stehen auf der Seite des Thesenpapiers.

Die auf der Website des BMJV aufgeführten Experten

  • Eva Becker, Rechtsanwältin, Vorsitzende des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltsverein
  • Prof. em. Dr. Michael Coester, Vorsitzender der Kinderrechtekommission beim Deutschen Familiengerichtstag
  • Prof. Dr. Isabell Götz, Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht München und Vorsitzende des Deutschen Familiengerichtstags und Honorarprofessorin an der Universität Mannheim
  • Dr. Stephan Hammer, Richter am Kammergericht Berlin
  • Prof. Dr. Stefan Heilmann, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Frankfurt und Honorarprofessor an der Frankfurt University of Applied Science
  • Prof. Dr. Klinkhammer, Richter am Bundesgerichtshof und Honorarprofessor an der Universität Marburg
  • Prof. Dr. Eva Schumann, Professorin an der Georg-August-Universität Göttingen
  • Prof. Dr. Hildegund Sünderhauf-Kravets, Professorin an der Evangelischen Hochschule Nürnberg

Vorbemerkung

Auf dem Familiengerichtstag 2017 gab es eine Arbeitsgruppe, die ebenfalls mit diesem Thema befasst war. Im Wesentlichen wurden die Ergebnisse der damaligen AG übernommen. Bei der damaligen AG war festzustellen, dass einige Teilnehmer durchaus die Vorgaben des Grundgesetzes und der internationalen Konventionen zum Ausgangspunkt ihrer Beiträge formulierten. Jedoch waren auch Stimmen vorhanden, die vor allem im Sinne von eigenen Finanzen diskutierten.

Im Wesentlichen wurden einige Forderungen nach Gleichbehandlung von Müttern und Vätern auch nach Trennung und Scheidung als „Reform“ aufgestellt, die Formulierungen aus dem Grundgesetz, z.B. Art. 6 , Abs. 1, 2. 3 und 5 GG sind dabei kaum zum Tragen gekommen. Wenn also die Formulierungen in den Thesen sich dem Grundgesetz annähern, ist daraus zu folgern, dass die bisherige Familienrechtsprechung nicht dem Art. 97 GG entsprach und entspricht.

So wäre es sinnvoll von der damaligen AG gewesen, die Garantien des Grundgesetzes für die Familien zur Unauflösbarkeit der Elternschaft zum Ausgangspunkt zu machen.  Erreicht wurde jedoch lediglich, dass wieder einmal eine Springprozession in Gang gesetzt wurde, die in den Familiengerichtssälen keinerlei Veränderung erkennen lässt. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch, dass kein einziger Professioneller aus den neuen Bundesländern in der damaligen AG m Familiengerichtstag teilnahm

A. Zum Reformbedarf

Im Grundgesetz ist eindeutig formuliert, dass die Familie unantastbar ist, ebenso wie die Menschenwürde. Das Recht und die Pflicht zu Pflege und Erziehung, aus dem das natürliche Recht der Kinder auf eine Familie und die Pflege und Erziehung durch die leiblichen Eltern garantiert und geschützt ist, ist in der familiengerichtlichen Praxis oft nicht erkennbar. Professionell Beteiligte vertreten ihre eigenen Interessen auf dem Rücken der Familien(mitglieder) und bezeichnen dieses als „Kindeswohl“. Aus diesem Grund ist eine „Reform“ der Gestaltung der Sorge- und des Umgangs dahingehend erforderlich, die gerichtliche und beratende Gestaltung streng an die Vorgaben des Grundgesetzes und des internationalen Privatrechts anzupassen. Ein entscheidender Ansatz besteht in der Frage, dass die bisherigen Paragrafen, die dem GG widersprechen, ersatzlos gestrichen werden.

Ist das mit den 50 Thesen gelungen ?

B. Zu den Thesen

1. Die benannte Veränderung der Lebenswirklichkeit vieler Familien besteht darin, dass die Forderungen aus Politik und Wirtschaft die Bedürfnisse der Familie als kleinste Zelle des Staates ausgehöhlt und durch Fremdbetreuung bereits im Säuglingsalter ersetzt statt ergänzt wurde.

Die natürliche Entwicklung, die seit Jahrmillionen das Erfolgsmodell Familie und damit die heutige Kultur und Zivilisation geschaffen hat, wird als rückständig von einem kleinen Teil der Bevölkerung angeprangert. Die Ergebnisse sind als entwurzelte junge Generation überall sichtbar, derzeit besonders in der Friday for Future-Bewegung, die auf Protest, nicht aber auf Fakten beruht.

2. Es ist unverständlich, wie eine elterliche Verantwortung gestärkt werden kann, wenn den Eltern ihre Pflicht zu Pflege und Erziehung weitgehend durch staatliche und kommunale Träger radikal eingeschränkt wird. Eine Gestaltungsmöglichkeit ist lediglich im Rahmen politisch vorgegebener Richtlinien möglich.

3. Die einfachgesetzlichen Regelungen sind den Erfordernissen der Garantien aus dem GG anzupassen. Die „Hilfen zur Erziehung“ aus dem SGB VIII sind dahingehend zu ergänzen, dass die Stigmatisierung („Ich brauche Hilfe, also bin ich unfähig, mein Kind zu erziehen“) entfällt, und der Bereich der Angebote aus dem präventiven Teil des SGB VIII ist zu erweitern und der Realität anzupassen, damit den Eltern tatsächliche Entscheidungs- und Gestaltungsoptionen erwachsen. Nur dann können sie die geforderten selbständigen, selbstbewussten Kinder großziehen, die immer wieder gefordert werden. Hierzu gehört auch eine kinderfreundliche Infrastruktur, die zur Eroberung ihrer Welt beiträgt.

4. Stehen die Kinder im Mittelpunkt der Entscheidungen nach Trennung und Scheidung der Eltern als Normfall, so sind immer angemessene Lösungen zu finden. Solange jedoch Kinder als Eigentum der Mütter mit Dauerversorgung auf Kosten der Väter und des Staates die Wirklichkeit darstellen, werden weiterhin die Beratungsstellen für Mütter das Versorgerprinzip stützen. Dass dieses Konzept nicht aufgehen kann, zeigen die hohen Kosten, die für diesen Bereich aufgebracht werden, vor allem durch die nachfolgende Fremdunterbringung der Kinder. .Diese These ist ein Beispiel für die Möglichkeit des Elternstreits, der mit erheblichen Kosten für die Familie und die Gesellschaft sowie überflüssigen Arbeitsplätzen verbunden ist.

5. a), b) Ein gesetzliches Leitbild ergibt sich aus Art. 6 Abs. 2 GG. Sonderformen sind lösungsorientiert von den Eltern zu erarbeiten. Hierzu sind beratende Institutionen zu schaffen.

C. Leitsätze einer Reform – Elternverantwortung

Wenn Elternverantwortung eine hervorragende Rolle spielen soll, darf die Elternverantwortung nicht eingeschränkt und nach politischen Vorgaben eingeengt werden. Hierfür sind dann auch die notwendigen präventiven Angebote und eine familien- und kinderfreundliche Infrastruktur zu schaffen, die den Familien und ihren Mitgliedern die erforderlichen Entfaltungsmöglichkeiten gibt. Dazu gehören finanzielle Unterstützung wie Spielflächen unterschiedlichster Art und familiengerechte Eintrittspreise für z.B. Zoo und kulturelle Ereignisse.

6. Um welche Leitprinzipien es sich handelt und wer diese festlegt, wird nicht benannt. Hier wäre der Blick nach Dänemark zu richten, die das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung dahin ausgestaltet haben, dass die Ortsversammlungen aller Bürger die Notwendigkeiten beschließen, die in dem Ortsteil erforderlich sind und diese zur Umsetzung an die dafür von ihnen angestellten Fachleute zur Umsetzung weitergeben.

7. Das Problem bei dieser Forderung ist, dass der Begriff des Kindeswohls als unbestimmter Rechtsbegriff nach jetzigem Verständnis nicht fassbar ist. Damit verkommt diese Forderung zu einer untauglichen Sprechblase. Erst mit einer wissenschaftlichen Definition, wie sie die Epigenetik bieten kann, kann dieser Punkt konkret bearbeitet werden.

8. Ebenso unbestimmt wie der Begriff „Kindeswohl“ ist es, den Kindeswillen als Entscheidungskriterium bzw. als Berücksichtigungsmerkmal einzubeziehen. Hierzu hat die PAS-Forschung erhebliche Erkenntnisse beigetragen, die zu berücksichtigen sind. In der vorliegenden Form ist die Forderung nicht zielführend.

9. Der Umgang mit beiden Elternteilen ist die Grundlage für „Kindeswohl“. Das Kind hat deshalb jederzeit Zugang zu jedem Elternteil, auch bei Trennung und Scheidung. Nur dann kann die ganzheitliche Entwicklung eines Kindes gewährleistet werden. Jeder Entzug stellt nach den Tatbestandsmerkmalen eine schwere Körperverletzung nach § 226 StGB dar.

10. Die Gewaltfreiheit der Erziehung ist nicht allein auf die elterliche Erziehung zu verstehen. Kindesentziehungen durch Mitarbeiter der Jugendämter und die damit verbundenen Trennungstraumata gehören ebenso in diesen Kreis. So ist bei Versorgungsversagen der Eltern und der damit verbundenen Herausnahme aus dem Elternhaushalt eine parallele Erziehung zu installieren: die Versorgung durch Fremdpersonal bei verbleibender unterstützender emotionaler  Pflege und Erziehung durch die Herkunftseltern. In zahlreichen Fällen wäre auch eine ambulante Versorgung der Kinder durch Fremdpersonal und eine emotionale durch die Eltern möglich.

11. Diese Forderung ist als Selbstverständlichkeit bereits in § 1618a BGB festgelegt.

12. Die bisherigen Kindeswohlmaßstäbe sind nach dem Prinzip Versuch und Irrtum entwickelt worden. Sie taugen nicht für Entscheidungen, da sie von jedermann in seinem Sinne abgewandelt werden können. Hier sind die Ergebnisse der Forschung aus der Epigenetik abzuwarten. Notwendig ist eine Zusatzausbildung für Familienjuristen (Richter, Anwälte)

D. Gemeinsame elterliche Sorge

Gemeinsame elterliche Sorge ist das natürliche Recht der Kinder, der genetischen Eltern und deren Pflicht den Kindern gegenüber. Hierüber hat der Staat mit seinen Institutionen  in der Form zu wachen, dass er die Eltern bei dieser Aufgabe unterstützt. Hierbei sind die Interessen – Kultur, Gewohnheiten,  Familienstrukturen, Weltanschauung, Religion usw. – zur Grundlage zu machen.

Der Begriff „elterliche Sorge“ ist durch den Begriff „elterliche Verantwortung“ zu ersetzen. Dieser ist inhaltlich umfangreicher. Die Umsetzung der Garantie für Kinder und Väter auf Anerkennung der vollständigen Gleichberechtigung der Väter zu den Müttern ist durch Art.6. Abs. 5 GG bereits festgeschrieben. Nur wird er nicht umgesetzt, was zu erheblichen Rechtsbrüchen im Familienrecht führt. Der entsprechende einfachrechtliche § 1626a BGB ist deshalb unverzüglich ersatzlos zu streichen.

13. Wenn eine rechtliche Elternschaft von einem Gericht bestimmt werden kann, ist diese lediglich dann zu verleihen, wenn das zu ersetzende Elternteil tot ist oder das Kind adoptiert wurde. In allen übrigen Fällen ist vom Ruhen der elterlichen Sorge Gebrauch zu machen, wobei in § 1674 als zusätzliches Merkmal die emotionale Abwesenheit aufzunehmen ist. Die rechtliche Elternschaft kann außer bei leiblichen und Adoptivvätern nur vorübergehend verliehen werden. Die Verleihung ist jährlich zu prüfen, die leiblichen Väter sind in diesen Fällen soweit möglich, für ihre Pflege- und Erziehungsaufgaben zu qualifizieren.

14. Diese Forderung ist so schwammig, dass sie im Konfliktfall zu erheblichen Streitigkeiten führt. Bei unterschiedlichen Auffassungen der Eltern sind entsprechende Beratungsinstitutionen einzuschalten. Diese arbeiten lösungsorientiert und präventiv.

15. 1671 BGB ist ersatzlos zu streichen.

16. Eine Entscheidung über ein Familiengericht fördert den Streit und leert die Konten der Eltern. Hierfür sind Beratungsinstitutionen aufzubauen, die auch die Problematik aus 14. einbeziehen.

17. Bei Elternkonflikten ist eine Schlichtung vor dem gerichtlichen Antrag erforderlich. Diese kann aus den Mitarbeitern der Beratungsstellen von den Eltern gewählt werden.

18. Eine vollständige Übertragung der Ausübung der Personensorge auf einen Elternteil ist nur zeitlich mit jährlicher Prüfung durch ein Gericht zulässig. Die Gründe dafür müssen bewiesen werden. Vermutungen oder Zuschreibungen sind hierfür unzulässig.

19. Da eine gemeinsame Entscheidung der Eltern vorliegt, ist sie durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützt.

E. Betreuung des Kindes durch die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern

21. Solange die Betreuung des Kindes durch die Eltern in Absprache erfolgt, ist keinerlei Notwendigkeit zur Korrektur gegeben.

22. Das Kind hat einen natürlichen Anspruch auf Kontakt zu beiden Elternteilen, die nur unter nachgewiesenen schwerwiegenden Gefährdungen im Sinne des Art. 6 Abs.3 GG geregelt werden dürfen.

23. Vor einer gerichtlichen Entscheidung ist eine niederschwellige Beratung zur Lösung des Konflikts der Eltern durchzuführen.

24. Das Gericht ist erst entscheidungsbefugt, wenn die Eltern nicht aus der Schlichtung eine Vereinbarung erzielen konnten.

25. Die Vollstreckung einer Betreuungsanordnung hat das natürliche Recht auf Pflege und Erziehung durch die Eltern zu garantieren und umzusetzen.

26. Bei Streitigkeiten bezüglich der Betreuungszeiten ist die paritätische Doppelresidenz bis zu einer anderweitigen Regelung anzuwenden.

 F. Umgang

27. Auch für enge Verwandte ist der „Umgang“ als Betreuungszeit und damit mit den Aufgaben der Alltagssorge auszugestalten.

G. Elterliche Einigung/Beratung/Mediation

28. Bei Konflikten sind für die Eltern Schlichtungsstellen einzurichten, die mediativ tätig werden. Hierbei sind immer die Bedürfnisse der Kinder vorrangig zu befrieden.

29. Die Cochemer Praxis hat die Wirksamkeit der Schlichtung ergeben.

30./31. Eine erzielte Elternvereinbarung ist vom Gericht auf Fehler zu prüfen und zu billigen, soweit nicht kindliche Interessen verletzt sind. Eine anwaltliche Vertretung ist nicht erforderlich.

32. Bei den Beratungen durch Jugendämter sind die präventiven Angebote an die Eltern vorrangig „Hilfen zur Erziehung“. Hier hat der Gesetzgeber die Aufgabe, präventive Angebote zur Verfügung zu stellen. Angebote gehen Hilfen vor.

33. Beratungsangebote sind zu erweitern. Berater sind auf präventive Angebote zu verweisen.

H. Kindeswille

34. Der Kindeswille als Entscheidungsmerkmal ist wohl das Schwierigste, was es gibt, da die Lebensbedingungen mit seinen Folgen von Außenstehenden nur fragmentarisch wahrgenommen werden können. Hier muss die PAS-Forschung ebenso wie die Bindungstheorie beigezogen werden. Zum weiteren kann einem Kind nicht die Entscheidung abgenommen werden, wie die Eltern die Zukunft des Kindes gestalten möchten. Sinnvoll kann hier nur sein, dass in Befragungen die positiven Erlebnisse mit den Eltern und weiteren Familienmitgliedern eruiert werden, um daraus die entsprechenden Lösungen zu formulieren. Ein authentischer Kindeswille wird von fachkundigen Psychologen nahezu ausgeschlossen. Immer wieder wird mit dem Begriff der „Reife“ eines Kindes der Wunsch des Elternteils benannt, wobei die Äußerungen des Kindes dem Wunsch der jeweiligen Elternteile angepasst werden, z.B. wenn das Kind nach der Anhörung die Mutter fragt: „Mama, habe ich alles richtig gesagt?“ und dabei in der Anhörung juristische Begriffe verwendet, deren Bedeutung es nicht kennt.

35. Bei Fragen von besonderer Bedeutung haben die Kinder oft keinerlei Einschätzungsvermögen, was mit ihrem Wunsch für sie tatsächlich gut ist. Dieses ist weiterhin den Eltern – ggf. nach einer Beratung – allein zuzusprechen.

36. Um welche Reifestufen es hierbei geht, ist, wie die Stimmenauswertung ergibt, völlig unterschiedlich, zudem vom Umfeld und der Entwicklung des Kindes abhängig.

37. Ein eigenes Antragsrecht für Kinder ist bedenklich, soweit es sich dabei um mögliche bevorzugte Elternteile für die Betreuung handelt. Kinder sind immer von den Personen abhängig, bei denen sie ihren Lebensmittelpunkt haben. Da ihnen bis zur gerichtlichen Entscheidung keinerlei Wahlmöglichkeiten gegeben sind, sie also auf die bisher betreuenden Personen angewiesen sind, geben sie fast immer den Wunsch der sie betreuenden Personen an, nicht ihren eigenen, weil sie damit Sanktionen zu befürchten haben.

38. Insofern ist ein eigenes Antragsrecht allenfalls für Fragestellungen von untergeordneter Bedeutung zielführend.

39./40. Ein Widerspruchsrecht eines Jugendlichen ist nicht bei gemeinsamer Entscheidung der Eltern, sondern bei allen Entscheidungen, die den Jugendlichen betreffen, erforderlich.

I. Sonstige Änderungen

41. Welche Änderungen im Pflegekinderwesen zusammengefasst werden sollen, wird nicht benannt.

42. Die Abänderungsmerkmale des § 1696 BGB sind einzuhalten. Hierbei ist der Gesetzestext verbindlich, mögliche psychologische Auslegungen dürfen nicht Vorrang haben.

43. Da es nach diesen Thesen keinen Verlust eines Elternteils für das Kind geben darf und kann, sind keinerlei Sorgerechtsverfahren möglich.

J.  Verfahrensrecht

44. Ein Kind hat die Garantie beide Elternteile bis zum 18. Lebensjahr als diejenigen Bindungspersonen zu haben, die es für seine Entwicklung benötigt. Im Konfliktfall sind Beratungen im Familiensystem zu gestalten. Ein Kind kann seine Eltern nicht ablehnen. Staatliche Institutionen haben keinen Zugriff auf Kinder.

45. Beratung und Begleitung sind die Schwerpunkte, die in den kommenden Jahren eine erhöhte Bedeutung haben werden. Hierfür sind nicht nur Beratungsstellen aufzubauen, sondern auch Angebote und eine familienfreundliche Infrastruktur, die alle Anreize zur Entfaltung der Persönlichkeiten bietet.

46. Es sind Anlaufstellen auch für Kinder zu schaffen, in denen lösungsorientierte Beratung erfolgt. (Ombudsstellen für Familien)

47. Dieser These kann gefolgt werden.

48. Die Ausübung der elterlichen Verantwortung unterliegt den Vereinbarungen der Eltern. Vor einer gerichtlichen Entscheidung ist jeweils die Schlichtung in Anspruch zu nehmen.

49./50. Diese Thesen können befürwortet werden.

Fazit

Dieses Thesenpapier ist wie frühere Entscheidungen des BVerfG und BGH wiederum eine Springprozession, wie wir sie kennen. Mit einigen Thesen kann sich ein Familienmitglied identifizieren, ein großer Teil ist jedoch für den Kommerz im Familienrecht gemacht. Es führt nur an wenigen Stellen näher an die grundgesetzlichen Garantien heran und bringt insbesondere bei dem Kapitel Kindeswille Streit ein, mit dessen „Erfolg“ die Hoheit über die Kinderzimmer bei staatlichen und kommunalen Institutionen von den Eltern genommen wird.

Ein wesentliches Manko ist die geringe Änderung für den Präventivbereich. Ohne, dass dieser mit der Infrastruktur familienfähig wird, ist eine Reform in dieser Weise untauglich.

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