aus der Reihe Fabeln, Geschichten und so’n Zeug
DER BAUER UND SEIN ACKER
Fabel von Heiderose Manthey
2016-05-18
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Es war Frühjahr und es war an der Zeit, dass der Bauer den Samen für seinen Weizen ausbrächte.
Weil ihm der Weg zum höher gelegenen Acker zu weit war, legte er seinen Samen in den näher liegenden. Er übersah dabei gerne die Steine und Disteln und auch den kargen Boden.
Hauptsache, der Samen ist eingelegt und es hat mich keine große Mühe gekostet, dachte er am Abend, als er seine Arbeit getan hatte.
Im Großen und Ganzen war er mit sich zufrieden, hatte er ja genug zu essen und ein Dach über dem Kopf.
Das Wetter schien sich gut zu machen. ‚Ei, das wird meinen Samen schnell keimen und sprießen lassen‘, freute sich der Erzeuger. Dem war auch so. An einigen Stellen legte er nochmal einige Samenkörner nach, damit sich der ganze Acker voll von frischen Halmen erheben konnte. Der Bauer strotzte. Er war stolz auf sich.
Bald schon reckten sich die ersten Sprosse aus dem Boden und kurz darauf wehten die grünen Getreidestengel im Wind.
Und die Sonne tat ihr übriges. Goldgelb standen die Halme, als der Bauer im Spätsommer die Ernte einbrachte. Die gebündelten Garben legte er in die Scheune und begann zu dreschen. Aber nicht die erhofften großen goldenen Körner fielen aus dem Spelz heraus, sondern knöchrige, fast verdorrt scheinende. Missmutig betrachtete der Bauer seine Ernte.
‚Nun, wir nehmen sie, so wie sie sind. Ändern kann ich nichts.‘
Er brachte die wenigen Säcke des kärglichen Inhalts zur nahegelegenen Mühle und wollte die Körner mahlen lassen. Fast unmerklich rümpfte der Müller seine Nase, als er das Produkt des Bauern sah. Er zermahlte die missratenen Körner dennoch und gab dem Bauern das hieraus gewonnene Mehl.
Beim Brotbacken merkte die Bäuerin, dass das nicht das Brot war, das sie sich erhofft hatte. Sie wurde zunehmend unzufrieden und machte dem Bauer die größten Vorhaltungen. Die Vorwürfe hörten nicht auf und der Bauer wollte das Genörgel nicht mehr hören.
Aber: Im Großen und Ganzen war er mit sich zufrieden, hatte er ja genug zu essen und ein Dach über dem Kopf.
Mit den Jahren fiel ihm der Acker ein, der höher gelegen war. ‚Soll ich mich tatsächlich auf den Weg machen ?‘, fragte sich der Bauer, der den Hang dazu hatte, sich in den Bequemlichkeiten des Lebens zu verstricken.
‚Es könnte sein, dass ich dort viel arbeiten muss, denn der Acker liegt schon lange brach.‘ Und so war es auch ! Beim ersten Anblick erschrak der Bauer sehr. Er hatte seinen Acker schrecklich vernachlässigt. Er stöhnte laut.
Dennoch machte er sich auf den Weg und begann jeden Tag ein Stück des Unlandes urbar zu machen und siehe da, bald lag der Acker vor ihm: Schwarzbraun glänzend die Erde, ohne Steine und Disteln, wuchtig fett und mächtig an Gehalt, zum Einlegen des neuen Samens bereit.
Jedoch: Im Großen und Ganzen war er mit sich und seinem bisherigen Leben zufrieden, er hatte ja genug zu essen und ein Dach über dem Kopf.
Wenn da nicht das tägliche Brote gewesen wäre, was ihm nicht so sonderlich schmeckte.