I. Ausgangskonstellation der Personen
In der Neufassung durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz (KindRG, BGBl. I Seite 2942) ist das Umgangsrecht in den §§ 1626 III, 1684, 1685, 1686 BGB und in § 52a FGG betreffend gerichtlichem Vermittlungsverfahren geregelt1. Als Teil der Personensorge gilt die Bestimmung des § 1632 II BGB fort, wonach die Personensorge das Recht umfaßt, den Umgang des Kindes auch für und gegen Dritte zu bestimmen.
Während bislang das Umgangsrecht als Recht der Eltern ausgestaltet war, das Kind also Objekt des elterlichen Umgangs wurde, gehört nach § 1626 HI BGB zum Wohl des Kindes in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen! Jeder Elternteil ist nach § 1684 I BGB „zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt“. Der Umgang ist unabhängig vom Sorgerecht und von der Frage, ob die Eltern verheiratet sind oder waren2.
Mit zum Umgang gehört auch der briefliche und telefonische Kontakt, was sich daraus ergibt, daß nicht nur – wie in der bisherigen gesetzlichen Regelung – der „persönliche“ Umgang geregelt wurde3.
§ 1684 II BGB enthält eine Wohlverhaltensklausel, die zur Verwirklichung des Umgangs bestimmt, „daß die Eltern alles zu unterlassen haben, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert“.
Bei der Regelung des Umgangsrechtes kann im wesentlichen unterschieden werden zwischen Fallgruppen, bei denen die Eltern nach der Geburt des Kindes erzieherisch zusammengewirkt haben, so daß das Kind zu beiden Eltern eine Beziehung entwickeln konnte. Dies erfordert einen möglichst unbeeinträchtigten Umgang, sowie den Fall, dass es nie eine Beziehung zwischen Kind und dem betroffenen Elternteil gegeben hat, der nun den Umgang anstrebt.
Hier müssen die Kontakte behutsam angebahnt werden. Der Orientierungsmaßstab ist das Kindeswohl und nicht das Interesse der Mutter, was insbesondere in den Fällen wichtig ist, da die Mutter sich widersetzt haben könnte und den Vater aus eigenen Gründen ablehnt. Ein Ausschluß des Umgangs wäre selbst hier nur bei Kindeswohlgefährdung im Sinne von § 1666 BGB möglich.
Das Familiengericht hat nach § 1684 III ein Instrumentarium zur Hand, über den Umfang des Umgangsrechtes zu entscheiden und die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung der Wohlverhaltenspflicht des § 1684 II anzuhalten. Im schlimmsten Fall kann das Gericht Sanktionen im Sinne von § 1666 BGB ergreifen, das heißt beispielsweise die elterliche Sorge wegen Kindeswohlgefährdung entziehen. Das Gesetz will eine eigenständige Konfliktlösung in Sorge- und Umgangsangelegenheiten. Vermittlung und Hilfestellung soll das Jugendamt gemäß §§ 17,18 SGB VIII, erweitert durch § 18 III SGB VIII bieten. Die hier gegebene Problematik ist die einer Dreierkonstellation, bestehend aus Kindesmutter, Kindesvater und Kind. Deren tatsächliches Verhalten kann naturgemäß auch aus strafrechtlicher Sicht beleuchtet werden. Dabei können Vater, Mutter und Kind gegeneinander arbeiten oder sich „in wechselnder Beteiligung“ gegen einen von ihnen zusammenschließen. Im Klartext sind folgende Konstellationen möglich:
Mutter gegen Vater und umgekehrt
Mutter gegen Kind und umgekehrt
Vater gegen Kind und umgekehrt
Kind und Mutter gegen Vater und umgekehrt
Kind und Vater gegen Mutter und umgekehrt
Vater und Mutter gegen Kind und umgekehrt.
Jeder gegen jeden.
II. Störungen des Umgangsrechtes
Im Idealfall ist das Kind in der Lage, einen ungestörten Umgang mit beiden Elternteilen zu pflegen. Die Frage, ob die beiden Elternteile sich untereinander verstehen oder „Krieg führen“ ist ohne Bedeutung. Gestört ist das Umgangsrecht, wenn der Kontakt des Kindes zu meist einem Elternteil behindert, schlimmstenfalls abgebrochen wird. Beobachtete oder angeblich beobachtete Verhaltensauffälligkeiten des Kindes, körperliche Symptome, Schulprobleme oder sonstige Störungen eines „normalen Ablaufs“ werden dazu benutzt, den Umgang einzuschränken oder abzubrechen. Die Ursache der Probleme werden im Umgang gesucht und nicht in den Umständen und der Art und Weise des Umgangs. Die regelmäßig angebotene Lösung heißt: „ Es muß Ruhe einkehren; der Umgang muß für eine Weile ausgesetzt werden“. Bei der Frage der Feststellung des Kindeswohles wird neben dem oben angeführten Argument zusätzlich eine Anhörung durchgeführt, wobei in vielen Fällen das Kind seine Ablehnung des „abwesenden“ Elternteils formuliert. Das Gericht nimmt dies oft als Hinweis auf das vermutete Kindeswohl, da das Kind die Voraussetzungen seines Wohlergehens ja selbst definieren könne. Die Psychologen fragen in solchen Fällen danach, wodurch das Kind so traumatisiert ist, daß es dieses Verhalten zeigt und einen Elternteil ablehnt, was getan werden kann, um weitere Schädigungen zu verhindern und wie die Beziehung zum abgelehnten Elternteil wiederhergestellt werden kann. Zuletzt wird gefragt, wie gegen weitere traumatisierende Manipulationen eines Elternteils vorgegangen werden kann. In der psychologischen Literatur ist dieser Komplex als PAS, d. h. das Syndrom der Elternteil-Entfremdung bekannt geworden. Es handelt sich dabei um eine Psychodynamik des Elternteils, bei dem das Kind sich aufhält, und des Kindes selbst. Ersterer bildet mit dem Kind eine Koalition „wir gegen den Rest der Welt“ im Sinne einer pathogenen Angstbindung, die Ausschließlichkeit fordert. Vom Elternteil wird dabei die egoistische Komponente des ausschließlichen Besitzanspruches verdeckt, die alleinige „Verfügungsgewalt über das Kind“ zu haben. Die normale Verarbeitung von emotionalen Turbulenzen wird unterdrückt. Auf der Kindesebene wirken sich die Verlustängste aus, die Angst des Kindes nämlich, den geliebten betreuenden Elternteil auch noch zu verlieren durch den weiteren Kontakt zum getrennten Elternteil. Aus Sicherheitsbedürfnissen und aus Abhängigkeit schlägt sich das Kind auf die Seite dessen, bei dem es lebt, so daß es zumindest oberflächlich aus der Unerträglichkeit des Loyalitätskonfliktes befreit wird. Die Psychologen haben einen Katalog der Prüfung entwickelt, anhand dessen das Vorliegen des PAS festgestellt werden kann.
III. Körperverletzung zum Nachteil des Kindes
Aus strafrechtlicher Sicht ergibt sich dabei folgende Übereinstimmung:
1. § 223 StGB: Körperverletzung als Verletzungs-„erfolg“
a) Eine körperliche Mißhandlung ist ein übles, unangemessenes Behandeln, das beispielsweise das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt4.
b) Das körperliche Wohlbefinden ist der Zustand, der vor der Einwirkung vorhanden war. Das Zufügen eines Schmerzes ist nicht unbedingt nötig, es kann auch eine starke Gemütsbewegung tatbestandsmäßig sein, falls das körperliche Wohlbefinden erheblich beeinträchtigt wird. Dabei kommen Magenschmerzen, Erbrechen oder Schlaflosigkeit in Betracht5. Wenn also durch das Verhalten bei der Beeinträchtigung des Umgangsrechtes das Kind psychosomatische Störungen davon trägt, ist eine Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens gegeben und damit eine körperliche Mißhandlung im Sinne des § 223 I StGB. 2. Eine Körperverletzung ist auch in der Variante der Schädigung der Gesundheit möglich. Diese besteht im Hervorrufen oder Steigern eines pathologischen Zustandes. Dabei ist eine bloß psychische Einwirkung, die lediglich durch das seelische Wohlbefinden berührt, grundsätzlich keine Gesundheitsschädigung, es sei denn, daß auch die Nerven in einem krankhaften Zustand versetzt werden6, wenn ein pathologischer, somatisch objektivierbarer, krankhafter Zustand hervorgerufen wird7. Auch hier bedarf es also einer medizinischen Untersuchung des Kindes, um objektiv festgestellt zu bekommen, inwieweit das Umgangsrecht bzw. seine Behinderung zu einer Erkrankung führt. 3. Die Beurteilung des Komplexes beschränkt sich allerdings aus strafrechtlicher Sicht nicht auf die Feststellung dieser Beeinträchtigungen beim Kind. Auch der „abwesende Elternteil“ kann in der oben beschriebenen Art und Weise durch die Schwierigkeiten in der Durchführung des Umgangsrechtes belastet sein. Wenn die entsprechenden Feststellungen getroffen werden können, liegt der tatbestandliche „Verletzungserfolg“ vor. 4. Handlungsform
Strafrechtlich relevant ist zunächst die direkte Handlung des Täters, bei der „normalen“ Körperverletzung also der direkte Schlag, das Einsperren des Opfers bei der Freiheitsberaubung, die Gewaltausübung und Wegnahme, bei der Beraubung des Opfers etc. Feststellbar muß also in diesem Sinne eine direkte Handlung des möglichen Täters sein, die den oben beschriebenen tatbestandlichen Erfolg auslöst.
Angesichts der oben angedeuteten psychologischen Schwierigkeiten läßt sich jedoch in vielen Fällen ein direktes Tun beispielsweise des erziehenden Elternteils nicht nachweisen. Das Gesetz ist sich aber darüber im klaren, daß nicht nur das Aktive Tun, der Schlag, der Tritt, das Falsche Wort oder die Lüge als tatbestandliche Handlung relevant ist. Von Bedeutung ist ebenfalls, wenn ein bestimmter tatbestandlicher Erfolg deswegen eintritt, weil der Täter eine gebotene Handlung unterläßt, die er hätte vornehmen müssen. Zu prüfen ist hier:
Der Eintritt des tatbestandlichen Erfolges (siehe oben).
Die Nichtvornahme der zur Erfolgsabwendung objektiv gebotenen Handlung.
Die physisch reale Möglichkeit der Erfolgsabwendung.
Die Kausalität und objektive Zurechnung, das heißt, daß die unterlassene
Tätigkeit nicht hinzugedacht werden kann, ohne daß mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit der Erfolg entfiele.
Die Garantenstellung.
Die Gleichwertigkeit von Tun und Unterlassen gemäß § 13 I.
Der Vorsatz.
Die sonstigen subjektiven Tatbestandsmerkmale und die objektiven
Bedingungen der Strafbarkeiten sowie das Nichtvorliegen von
Rechtfertigungsgründen und die Feststellung des Verschuldens.
5. Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen
Bei der Abgrenzung von Tun und Unterlassen stellt man in der Regel darauf ab, bei welcher Verhaltensweise der Schwerpunkt des strafrechtlich relevanten Verhaltens lag. Die Beurteilung grenzt dabei nicht sklavisch einzelne Handlungen ab, sondern erfaßt die Handlungen in ihrem sozialen Handlungssinn und wertet sie normativ. Wenn das Verhalten Handlungsqualität hat, ist im Bereich des aktiven Tuns weiter zu prüfen. Ansonsten ist das Unterlassen relevant. Das bedeutet im Klartext, daß herausgefunden werden muß, durch welches Verhalten das Umgangsrecht zwischen Kind und „abwesendem“ Elternteil gestört wird. Hier wiederum ist die Arbeit des Psychologen gefragt, der anhand der oben beschriebenen Vorgehensweise feststellen kann, ob die Symptomatik des Kindes auf das Vorliegen eines Elternteil-Entfremdungssyndromes (PAS) hinweist. Wird durch den Psychologen festgestellt, daß das Kind durch einen Elternteil „programmiert“ worden ist, sich mit ihm gegen „den Rest der Welt“ zu verbünden und wird hierdurch die normale Verarbeitung der Trennungsproblematik unterbunden, so kann man entweder ein aktives Tun des programmierenden Elternteils feststellen, zumindest aber feststellen, daß der programmierende Elternteil es unterlassen hat, das Kind zu einem normalen Umgang mit dem anderen Elternteil hinzuführen.
6. § 13 StGB
Bei der von sachverständiger Seite geschilderten Erscheinungsform des Eltern-Entfremdungs-Syndroms (PAS) wird durchgehend geschildert, daß die wechselseitigen Verhaltensweisen den Parteien nur zu einem geringen Teil bewußt sind. Die geschilderte „Programmierung“ des Kindes soll dazu führen, daß das Kind selbst aufgrund von Verlust- und Trennungsängsten eine eigene Haltung einnimmt, die einen Elternteil gut und den anderen schlecht erscheinen läßt, und zwar in den Augen des Kindes. Der Ansatz des strafrechtlich relevanten Unterlassens setzt eine Garantenstellung voraus, die sich u. a. aus dem Gesetz ergeben kann. Als gesetzliche Normierung kommt hier die Verpflichtung beider Elternteile zum Umgang in Betracht, insbesondere die Wohlverhaltensklausel des § 1684 II BGB. Nach der konkreten Zielsetzung des Gesetzgebers handelt es sich also um eine drittschützende Norm, die für beide Elternteile eine Garantenstellung dergestalt begründet, daß sie dafür zu sorgen haben, daß der Umgang des Kindes mit beiden Elternteilen sichergestellt ist. Gegen diese gesetzlichen Vorgänge wird verstoßen, wenn das Kind zur „Ablehnung eines Elternteils“ programmiert wird. Man könnte hier die Auffassung vertreten, daß die Programmierung selbst einen aktiven Vorgang darstellt, so daß es des Rückgriffs auf § 13 StGB nicht bedürfe. Diese Frage ist konkret am Einzelfall zu beurteilen, weil das Gesetz auf den „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit“ abstellt. Relevant ist, daß es nicht nur eines aktiven Tuns des programmierenden Elternteils bedarf, sondern daß das Unterlassen der Förderung des Umgangs gemäß §13 StGB ausreichend ist. Für die Beurteilung eines Sachverhaltes im Hinblick auf Tun und Unterlassen in strafrechtlicher Hinsicht ist entscheidend, daß der betreuende Elternteil darauf verzichtet, aktiv und unter Aufbietung aller Kräfte daran mitzuwirken, daß ein freudevoller Umgang des Kindes mit beiden Elternteilen gewährleistet ist, u. a. oder u. U. auch durch die Hinzuziehung eines Kinderpsychologen/ Kinderpsychiaters, der dieses Ziel zu erreichen hilft.
7. Vorsatz
Äußerst problematisch ist aus strafrechtlicher Sicht, daß das relevante Verhalten des Menschen, sein Tun und sein Nichttun durch Vorsatz getragen werden muß, d. h. durch ein Wissen und Wollen der Verwirklichung des Tatbestandes. Der Vorsatz der Körperverletzung muß die Handlung und das Bewußtsein umfassen, daß durch sie das Wohlbefinden des Körpers oder dessen Unversehrtheit beeinträchtigt oder die Gesundheit geschädigt wird. Die Rechtsprechung läßt bedingten Vorsatz ausreichen. Dem Vorsatz steht es nicht entgegen, wenn der Täter durch die Tat dem Opfer helfen will, also der Arzt angelegentlich einer Schnittendbindung ohne Einwilligung eine Sterilisation vornimmt, um der Patientin die Risiken einer neuen Schwangerschaft zu ersparen. Die wissenschaftliche Literatur zum PAS schildert jedoch gerade, daß die Programmierung des Kindes einen weitgehend den Parteien unbewußten Vorgang darstellt. Weder Kind noch programmierendem Elternteil sei bewußt, daß das Kind instrumentalisiert werde. Das Gesetz verlangt für den Vorsatz jedoch nicht allein die Absicht (dolos directus 1. Grades), sondern lediglich den sogenannten bedingten Vorsatz. Ausreichend ist also, daß der Täter die Tatbestandsverwirklichung weder anstrebt noch für sicher hält, sondern sie für möglich hält und sie in Kauf nimmt. („Na wenn schon“). Der Täter billigt auch einen an sich unerwünschten aber notwendigen Erfolg8, wenn er sich mit ihm um eines erstrebten Zieles willen abfindet9. Abgegrenzt wird zur bewußten Fahrlässigkeit, bei der der Täter die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung erkennt, mit ihr nicht einverstanden ist aber gleichwohl entgegen seiner Einsicht handelt in der Hoffnung, es werde schon gutgehen.10 Besonders zu berücksichtigen ist dabei, daß die Vorsatzfrage immer im Hinblick auf das individuelle Vermögen der Elternteile zu prüfen ist. Diese müssen, je von Fall zu Fall, erkennen können, was sie dem Kind an Hilfe bieten müssen oder bieten müßten. Seitens der Staatsanwaltschaft muß also festgestellt werden, daß bei Aufbietung aller zur Verfügung stehenden Möglichkeiten des aufenthaltsberechtigten Elternteils dieser die Möglichkeit hatte festzustellen, daß hier die Aufarbeitung der Trennung nicht durchgeführt wird und daß der Einsatz eines Psychologen notwendig gewesen wäre, um dem Kind bei der Verarbeitung zu helfen bzw. die Weigerungshaltung des Kindes aufzuarbeiten. Diese Frage ist relativ unproblematisch bei solchen Fällen, in denen das Kind aus den beschriebenen nichtigen Gründen (PAS-Symptomkatalog) und mit den beschriebenen, nicht kindgerechten Argumenten den Umgang mit dem anderen Elternteil ablehnt. Hier muß vermutet werden, daß die vom Kind vorgebrachte Begründung aufgrund einer „aufgepropften“ Argumentation erfolgt, was einen Besuch beim Psychologen/Psychiater nach sich zu ziehen hat. Das Gegenargument, Kinder nicht ohne triftigen Grund in psychologische Behandlung zu geben, muß demgegenüber zurücktreten, weil die, psychologische Begleitung der Kinder beim Trennungsvorgang der Eltern nicht ein Krankheitsfall, sondern die professionelle Hilfe bei der Bewältigung einer schwerwiegenden und tiefgreifenden Belastungssituation darstellt. Daraus folgt, daß der bedingte Körperverletzungsvorsatz des programmierenden Elternteils unabhängig von der Programmierungshandlung (die nicht bewußt geschieht) festzustellen ist, wenn der erziehende Elternteil Umgangsschwierigkeiten feststellt und keine professionelle Hilfe zu Rate zieht, um den Umgang zu entkrampfen und zu ermöglichen. Mit der Erfüllung dieser Aufgabe ist der erziehende Elternteil auch nicht allein gelassen, da die behördlichen Hilfen des Jugendamtes und des Gerichtes (§§ 17, 18, 18 III SGB VIII; § 1684 III BGB) Maßnahmen und Begutachtungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Nicht zuletzt wäre die Möglichkeit gegeben, im Scheidungs.- Verbundverfahren nicht nur das Sorgerecht zu überdenken, sondern auch bezüglich des Umgangsrechtes eine regelmäßige psychologische Begutachtung des Kindes durch Urteil auszusprechen. Dies hätte zum einen den Vorteil, daß die professionelle Hilfe als Routinekontrolle eine Überwachung des Kindeswohles möglich macht, zum anderen auch die Erkennbarkeit des PAS in den Aufgabenbereich eines professionellen Helfers gestellt wird und bereits in einem Frühstadium bekämpft werden kann. Zuletzt wäre durch eine solche Verhaltensweise auch eine Entkriminalisierung möglich, wodurch verhindert würde, daß die Elternteil-Entfremdung wiederum als strafrechtliche Waffe im Trennungskrieg Verwendung findet.
IV. Körperverletzung zum Nachteil des umgangsberechtigten Elternteils
Neben der möglichen Körperverletzung des Kindes kommt ebenfalls eine Strafbarkeit wegen Körperverletzung des anderen Elternteils in Betracht. Auch hier ist – wie angeführt – zunächst ein tatbestandlicher Verletzungserfolg ärztlicherseits festzustellen, weil anders als blutende Wunden die seelischen Wunden nicht klar erkennbar sind und nach wie vor die Neigung besteht, diese Art von Verwundung als „Unpäßlichkeit“ und … „zu qualifizieren“. Bei der Frage der Abgrenzung von Tun und Unterlassen gilt auch hier das oben gesagte, so daß das Unterlassen des anderen Elternteiles, alles erforderliche für die Durchführung des Umgangsrechtes zu tun, als pflichtwidriges Unterlassen im Sinne des § 13 StGB tatbestandsmäßig wäre, wenn auch insofern eine Garantenstellung vorliegt. Eben dies ist hier aber problematisch. § 1684 II BGB enthält die Wohlverhaltensklausel hinsichtlich des Rechtes des Kindes auf Umgang als eines subjektiven, einklagbaren Rechtes. Gemäß § 1684 I BGB hat jedoch auch jeder Elternteil ein Umgangsrecht (Abs. II). § 1684 I BGB dient dazu, dem umgangsberechtigten Elternteil das insoweit verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht zu sichern11. Als solches ist die Norm drittschützend. Die Verpflichtung der Eltern zu wechselseitigem loyalen Verhalten soll also auch das Umgangsrecht des Umgangsberechtigten schützen. Auch insofern ist also gemäß § 13 StGB eine Garantenstellung des personensorgeberechtigten Elternteils gegeben und eine mögliche Strafbarkeit nach § 223 StGB begründet.
V. Verantwortung der Prozeßbeteiligten
Eine besondere Verantwortung obliegt hinsichtlich des oben Gesagten den Prozeßbeteiligten, weil nicht nur das Gericht eine entsprechende Verhaltensweise unterstützen und entsprechende Entscheidungen zu formulieren berufen ist, sondern weil auch die jeweils im Scheidungsverfahren beteiligten Prozeßbevollmächtigten der Parteien mit entsprechenden Anträgen das Gericht zur Entscheidung veranlassen müßten, insofern also besondere Sorge um das Kindeswohl an den Tag zu legen haben. Da – wie bisweilen berichtet – eine solche Sorge bei den Prozeßbevollmächtigten nicht immer feststellbar ist, so bietet sich mit dem Instrumentarium des „Anwalt des Kindes“ auch hier eine Ausweichregelung, weil der Anwalt des Kindes als selbständiger Prozeßbevollmächtigter und als Partei die Möglichkeit hätte, zur „Begutachtung in eigener Sache“ einen Antrag auf sachverständiger Begutachtung des Kindes selbst zu stellen. Von besonderem Interesse und mit besonderer Aufmerksamkeit zu verfolgen ist die Anhörung des Kindes und die Stellungnahme des Jugendamtes. Auch hier hat die schleichende Manipulation des Kindes die besondere Aufmerksamkeit der begutachtenden Stellen verdient. Es scheint, daß die Entdeckung des PAS dazu führt, zumindest aber dazu führen kann, daß zur Feststellung des Kindeswohles nicht mehr die Anhörung des Kindes als „Königsweg“ angesehen wird, weil der formulierte Wille des Kindes nicht notwendig seinem eigenen Wohl entspricht. Werden Hinweise auf eine solche Manipulation durch die zuständigen Stellen (Gericht/Jugendamt) festgestellt, so ist der Sachverhalt zwingend aufzuklären. Da Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterliegen und insoweit der Amtsermittlungsgrundsatz Gültigkeit hat, ist das Gericht in diesem Falle ohne weiteres berufen selbst die entsprechende Sachverhaltsaufklärung zu betreiben.
VI. Kosten
Als Konsequenz einer so verstandenen Aufarbeitung des problematischen Dreierverhältnisses sollte im übrigen bei der Entscheidung über die Kosten einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung und der Durchführung von psychologischen und sachverständigen Maßnahmen berücksichtigt werden, daß der Verstoß gegen die Pflicht des personensorgenden Elternteils, den Umgang aufrecht zu erhalten, dazu führen muß, daß eine Kostenentscheidung zu Lasten dieses Elternteils ergeht.
Osnabrück, den 18.09.2000 A/ra
1 Umfassend zur Neuregelung Rauscher, Das Umgangsrecht im Kindschaftsrechtsreformgesetz, FamRZ 1998, 329 ff. 2 Die Neuregelung trägt den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes (FamRZ 1993, 662) Rechnung, daß das Umgangsrecht als Recht des Kindes verstanden wissen will. Dies entspricht Art. 9 III der UN Kinderrechtskonvention vom 20.11.1989, in der Bundesrepublik in Kraft getreten am 05.04.1992. 3 Vergl. BTDrucks. 13/4899, Seite 104 f. 4 BGH St 14, 269 5 OLG Köln, NJW 97, 2192 6 BGH, NJW 76, 1143; OLG Köln VRS 75, 106 7 BGH, NJW 96, 1096; NSTZ 97, 123 8 BGH, StV98, 128 9 BGH, St 7, 369; NJW 1963, 2237; NSTZ 94, 584 10 Roxin § 24, 59 11 Bundesverfassungsgericht, FamRZ 83, 872
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