Wie kommt der Rückgang von 23 000 Inobhutnahmen von 2016 auf 2017 in Deutschland zustande ?
ARCHEVIVA fragte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden an: Zahlen immer noch erschreckend hoch !
2018-08-24
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Salzburg/Wiesbaden/Weiler. In ihrem Film „Teures fremdes Heim“ schildert Abbendum stichhaltig die Hintergründe der an den Inobhutnahmen, die oft unbegründet seien, Verdienenden. Allein die Betreiber der Besuchscafés, in denen Eltern ihre abgenommenen Kinder besuchen dürften, seien meist Vereine und Firmen, so heißt es im Film. „Ob eine Kindeswohlgefährdung und somit ein Grund zur Abnahme vorliegt, entscheidet das Jugendamt allein.“, heißt es weiter. Zu Wort kommen im Film neben Juristin Tanja Händel, Rechtsanwalt Alexander Krasser und die Pressesprecherin des Jugendamtes in Wien, Herta Staffa.
Destatis – Statistisches Bundesamt in Deutschland berichtet in seiner Pressemitteilung Nr. 311 vom 22.08.2018
„61 400 Inobhutnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen im Jahr 2017 in Deutschland bei insgesamt 82,67 Millionen Einwohnern im Jahr 2016″¹
Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden schreibt:
„… Im Jahr 2017 führten die Jugendämter in Deutschland rund 61 400 vorläufige Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (Inobhutnahmen) durch. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, wurden die Inobhutnahmen überwiegend von sozialen Diensten und Jugendämtern (58 %) angeregt. In 17% aller Fälle hatten Kinder und Jugendliche selbst Hilfe beim Jugendamt gesucht. Bei weiteren 14 % der Inobhutnahmen machten Polizei oder Ordnungsbehörden auf die Problemsituation aufmerksam, in 6 % die Eltern(teile) der betroffenen Minderjährigen. Die übrigen Schutzmaßnahmen (5 %) erfolgten aufgrund von Hinweisen Anderer, zum Beispiel von Ärztinnen oder Ärzten, Lehrpersonal oder Verwandten.“
„Am häufigsten (49 %) leiteten die Jugendämter bei diesen Kindern die vorläufigen Schutzmaßnahmen wegen Überforderung der Eltern oder eines Elternteils ein.“ Worin diese Überforderung begründet ist, wird nicht mitgeteilt.
ARCHEVIVA fragte das Bundesamt deswegen, worin der Rückgang der Zahlen von 2016 zu 2017 um rund 20 000 Inobhutnahmen liege.
Der österreichische Rechtsanwalt Alexander Krasser: „Kolportiert werden 7000 € pro Kind pro Monat. … Mit dem ‚Wohl‘ des betroffenen Kindes hat das überhaupt nichts mehr zu tun.“ und 13 600 Kinder leben in Österreich in Heimen oder bei Pflegefamilien bei insgesamt 8,747 Millionen Einwohnern (2016).
Pressesprecherin Jugendamt Wien, Herta Staffa: „In Wien ist es so, dass die Zahl, die wir untergebracht haben in den letzten Jahren nicht gestiegen ist, … ansonsten ist unser Ziel, diese Zahl möglichst niedrig zu halten, weil wir wisssen, was das für ein Einschnitt in das Leben der Kinder ist … und viel zu investieren in die Betreuung, in die Unterstützung der Eltern, dass die Kinder zu Hause bleiben können.“
Erschreckende Zahlen in Deutschland
2017 61.400 Inobhutnahmen
2016 84.230 Inobhutnahmen
2015 77.645 Inobhutnahmen
2014 48.059 Inobhutnahmen
2013 42.123 Inobhutnahmen
2012 40.227 Inobhutnahmen
Die österreichische Juristin Tanja Händel: „In etlichen Fällen ist nichts, was eine Abnahme rechtfertigt.“
„Die Entscheidung, ein Kind aus seiner Familie zu nehmen ist eine schwierige und schwerwiegende. In vielen Fällen geschieht eine Kindesabnahme durch die Kinder- und Jugendhilfe gegen den Willen der Eltern. Und sie eröffnet einen oft jahrelangen Prozess der Ämter, das Gericht, private Träger, Gutachter, Erziehungsberater, Psychologen und Pädagogen. Nach einer Abnahme kommen Kinder in Krisenzentren, wo sie betreut und oft therapiert werden. Verbessert sich die Lage im ursprünglichen Zuhause nicht binnen sechs bis acht Wochen, werden Kinder danach in Wohngemeinschaften oder bei Pflegeeltern untergebracht. Das alles kostet viel Geld, bis zu 8.000 Euro pro Kind und Monat.“
Händel: „Manche Sozialarbeiterinnen scheinen auch wirklich sehr einfallsreich darin zu sein, Kindeswohlgefährdungen zu konstruieren.“
„Die Entscheidung wo und wie ein Kind untergebracht wird, trifft das Gericht, das oft den Empfehlungen des Jugendamts folgt. Immer wieder wird Kritik am gesamten System und der Vorgehensweise des Jugendamtes laut. Würde eine längere Prüfung der Familien die Situation eher verbessern und somit auch Geld sparen? Wäre das Geld besser in mehr Prävention oder die krisengebeutelten Familien investiert als in Vereine und private Firmen?“
Händel: „Und da muss man sagen: An dem hängt ja eine ganze Industrie dran. … Besuchsbegleiter, Besuchsmittler, Erziehungsberater, Betreiber von WGs und Heimen, Gutachter …“
„Unterhaltspflicht, monatliche Gerichts- und Anwaltskosten, Zahlungen für Gutachten, Erziehungsberatung oder Besuchskontakte unter Aufsicht fallen für Eltern an, bis sie am Existenzminium leben. Sind sie dort angekommen, kommt der Staat für die Kosten auf. Eine Kindesabnahme bedeutet nicht nur eine oft jahrelange große emotionale Belastung, sondern auch eine finanzielle – die oft an der Armutsgrenze enden kann.“
Zum Film
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Quelle: https://www.addendum.org/jugendamt/kosten/
¹Deutschland: 61 400 Inobhutnahmen im Jahr 2017 bei insgesamt 82,67 Millionen Einwohnern (2016)
Österreich: 13 600 Kinder bei Pflegeleltern und in Heimen bei insgesamt 8,747 Millionen Einwohnern (2016)
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