Der lange Irrweg von der Zwangspsychiatrisierung bis zur Freiheit !
2014-05-13Anonymisiert 2024-05-18
Um 15:20 Uhr beginnt Dennis S. seine Schlussworte. Eigentlich hätte er gar nicht mehr das Wort ergreifen wollen, aber die Vorlage des Staatsanwaltes in dessen Plädoyer verlange nach einer Richtigstellung.
„Herr Staatsanwalt, Sie suchen die Bühne! Sie machen mich von einem ganz normalen Bürger zu einem Monster !“
Aufgrund einer veröffentlichten Nachricht in einer Zeitung, die von Seiten des Staatsanwaltes von einer nichtöffentlichen Sitzung an die Presse herausgegeben worden sei, verlangte Dennis S. vom Staatsanwalt gleich zu Beginn des Prozesses eine Stellungnahme.
Diese verweigerte der Staatsanwalt mit dem Hinweis und Blick in den Zuschauerraum, dass er diese Erklärung hier im Gerichtssaal nicht abgeben werde, da der Angeklagte nur eine Bühne suche, um sich darzustellen.
In seinen Schlussworten trat Dennis S. genauso wortgewandt und energetisch stark auf wie in allen Verhandlungstagen zuvor. Präzise und auf den Punkt gebracht konterte er alle Vorwürfe und überzeugte in der Sache. Die Retourkutsche mit der Selbstdarstellung in Richtung Staatsanwalt jedenfall saß.
Zum Vorwurf der schweren Brandstiftung hätte der Staatsanwalt ihm bislang noch kein Motiv nachgewiesen und somit sei „Ihr Bild von einem Wilden, der irre lacht“ zunichte gemacht worden. S. stellte die Zwangspsychiatrisierung und den Prozess gegen ihn als eine „Form der öffentlichen Hinrichtung“ dar.
Der Angeklagte richtete ein inbrünstiges Plädoyer an den Staatsanwalt, dass dieser die Angeklagten, die nach ihm auf diesem Stuhl im Gerichtssaal sitzen würden, mit anderen Augen ansehen solle.
So stellte er noch Inhalte zur Zwangspsychiatrisierung und zu den Gutachtern klar und nochmals an den Staatsanwalt gerichtet beteuerte Dennis S., dass wenn er die Medikamente eingenommen hätte, die ihm verabreicht hätten werden sollen, dann wäre er „mit stumpfem Blick“ und teilnahmlos im Gerichtssaal gesessen.
Mit seinem entschiedenen Kampf durch die unzähligen Gerichtstage hat sich S. einer mentalen Stärke bedienen dürfen, die vermutlich nur wenige in dieser Form und in dieser Lebenslage an den Tag legen können.
„Wenn wir das erreicht haben, dann hätte das hier etwas genutzt!“, so der Angeklagte zum Staatsanwalt und zu seinem inneren Auftrag als Vorkämpfer für weitere betroffene Falschbeschuldigte.
S. und seine Mitstreiter haben als Whistleblower eine Schneise durch die Vorverurteilungsmechanismen der deutschen Gesellschaft und der Justiz geschlagen. Denn wer hätte früher schon geglaubt, dass Menschen in solch fatale Maschinerien geraten können ? Spätestens seit Gustl Mollath wurde der Blick der Gesellschaft in Richtung Gerichte, unheilvolle Zwangspsychiatrisierung und Unrecht-Sprechung geschärft.
Um 16:09 Uhr verkündet die Richterin den Freispruch.
Morgen mehr zum Prozessverlauf in Junge Welt.
ARCHE VIVA Youtube wird die Interviews vor und nach dem Gerichtsprozess mit dem Angeklagten, seinem Verteidiger Thomas Saschenbrecker, Beiständin Andrea Jacob, seiner Mutter, Mitstreiter u.a. sobald als möglich online stellen.