Beschlüsse von Weimar und Heidelberg sind am Ende des Textes angefügt
„Die Schulleitung der Realschule in S. bestehend aus dem Schulleiter und der stellvertretenden Schulleiterin, wird angewiesen, es zu unterlassen gegenüber der Betroffenen die Anordnung zu treffen, auf dem Schulgelände eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.“
2021-04-13
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Weilheim. Neben dem Beschluss zur Unterlassung einer Anordnung bzgl. Mund-Nasen-Bedeckung trifft das Amtsgericht Weilheim auch eine entscheidende Aussage zum Robert-Koch-Institut: „Das deutsche Robert Koch-Institut ist laut Wikipedia eine selbständige Bundesoberbehörde im Sinne des Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG (§ 2 BGA-Nachfolgegesetz) und ist damit gegenüber der Bundesregierung bzw. dem Bundesgesundheitsminister weisungsgebunden. Es ist die Nachfolgeorganisation des 1994 aufgrund von Infektionen durch HIV-kontaminierte Blutprodukte sowie nicht erfolgter Warnung vor kontaminierten Holzschutzmitteln aufgelösten Bundesgesundheitsamtes. Im folgenden wird es als RKI bezeichnet. Da das Institut nicht unabhängig ist, können die Gerichte im Rahmen der gebotenen Sachverhaltsaufklärung nicht allein auf dessen Einschätzung zurückgreifen.“
Der Beschluss
Amtsgericht Weilheim i.OB
Abteilung für Familiensachen
Az.: 2 F 192/21
In der Familiensache K. – Betroffene
Verfahrensbeistand: Rechtsanwalt T.
wegen Erörterung Kindeswohlgefährdung, § 157 FamFG, einstweilige Anordnung
ergeht am 13.04.2021 wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung folgender
Beschluss
Beschluss
1. Die Schulleitung der Realschule in S. bestehend aus dem Schulleiter und der stellvertretenden Schulleiterin, wird angewiesen, es zu unterlassen gegenüber der Betroffenen die Anordnung zu treffen, auf dem Schulgelände eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.
2. Der unter Ziff. 1 genannten Schulleitung wird verboten, aufgrund der unter Ziff. 1 getroffenen Anordnung gegenüber der Betroffenen Maßnahmen zu ergreifen, die diese gegenüber den Mitschülern ungleich behandeln, beispielsweise das Kind aufgrund der obigen Anordnung vom Klassenverband zu isolieren oder vom Unterricht auszuschließen oder seinen Sitzplatz mit besonderen Vorrichtungen zu versehen.
3. Die sofortige Wirksamkeit wird angeordnet.
4. Kosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
5. Der Verfahrenswert wird auf 2.000,00 € festgesetzt.
Gründe
Gegenstand des Verfahrens ist die Anregung der Eltern des betroffenen Kindes, ein Verfahren gem. § 1666 BGB einzuleiten und die Gefährdung des Wohles des Kindes durch die Anordnung zum Tragen eines Mund- und Nasenschutzes während und außerhalb des Unterrichts, sowie zur Wahrung räumlicher Distanz zu anderen Personen durch die Erzbischöfliche Realschule in Schlehdorf zu überprüfen.
I. Zuständigkeit des Gerichts:
§ 1666 Abs. 4 BGB ermöglicht es, in Angelegenheiten der Personensorge, Maßnahmen mit Wirkung für und gegen einen Dritten zu treffen.
Die Eltern sind hierbei nach herrschender Auffassung nicht gezwungen, vorab den Zivilrechtsweg zu beschreiten (Palandt-Götz, § 1666 Rn. 41). Entsprechend sind sie auch nicht gezwungen, zunächst gegen die der Anordnung zugrundeliegende Verordnung den Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten und ggf. ein Normenkontrollverfahren anzustreben. Das folgt schon daraus, dass mit dem Verwaltungsverfahren ein anderes Rechtsschutzziel verfolgt wird, als mit der hier angestrebten Anordnung gegenüber der Schulleitung und den Lehrern des Kindes.
Der Verwaltungsrechtsweg ist für diese Streitigkeiten nicht eröffnet, da sie als Familiensache durch Bundesgesetz einem anderen Gericht, nämlich dem Familiengericht gem. § 23a Abs. 1 GVG ausdrücklich zugewiesen sind (§ 40 Abs. 1 VwGO).
Wie aus § 1837 Abs. 3, 4 BGB zeigt, kann die Anordnung auch gegenüber einer Behörde erfolgen, so dass es für die Zuständigkeitsprüfung nicht darauf ankommt, ob die Schulleitung und die Klassleitung als natürliche Personen oder in ihrer Funktion Adressaten der Anweisung sind. Adressat der Weisung kann zum Beispiel auch eine psychiatrische Klinik (in der Regel eine juristische Person des öffentlichen Rechts) sein (Palandt-Götz § 1666 Rn. 41).
II. Gefährdung des Kindeswohls
Das Gericht hat daher auf die Anregung der Eltern gem. § 24 FamFG von Amts wegen gem. § 26 FamFG zu prüfen, ob eine Gefährdung des Wohls des betroffenen Kindes gegeben ist.
Eine Gefährdung des Kindes ist zu bejahen, bei einer gegenwärtigen, in einem solchen Maß vorhandenen Gefahr für das geistige, körperliche oder seelische Wohl des Kindes, dass sich bei weiterer Entwicklung ohne Intervention eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt. (Palandt-Götz, § 1666 Rn. 8).
1. Abstrakte Möglichkeit der Gefährdung des Wohls von Kindern durch das Tragen von Masken:
Das Gericht hat ein Sachverständigengutachten zu der Frage erholt, welche Schäden physischer, psychischer und pädagogischer Art durch das Tragen von Masken insbesondere bei Kindern entstehen können.
Als Sachverständiger bestimmt und mit der Begutachtung beauftragt wurde Prof. Dr. Christof Kuhbandner, Institut für Experimentelle Psychologie, Lehrstuhl für Psychologie VI, Universität Regensburg, 93040 Regensburg.
Zwar ist eine formelle Beweiserhebung im Verfahren der einstweiligen Anordnung nicht vorgesehen und im Regelfall auch zu zeitaufwändig, da die Hinzuziehung von Sachverständigen üblicherweise mit einer im Verfahren der einstweiligen Anordnung nicht zu vertretenden Verzögerung verbunden ist. Vorliegend konnte das Gericht jedoch auf den Sachverständigen Kuhbandner zurückgreifen, der gerichtsbekannt bereits für das Amtsgericht Weimar unter dem Az. 9 F 147/21 ein entsprechende Gutachten erstellt hat und der dem Gericht eine Vorabfassung seines Gutachtens per mail zukommen ließ. Auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist die Aufklärung des Sachverhaltes und die Feststellung der für die Entscheidung relevanten Tatsachengrundlagen geboten, soweit dies dem Gericht im Rahmen der summarischen Überprüfung in angemessener Zeit möglich ist. Die Erkenntnisse des Gutachtens werden im übrigen noch für das einzuleitende Hauptsacheverfahren herangezogen werden und ist dort den Beteiligten gem. § 30 FamFG rechtliches Gehör zu diesem Gutachten zu gewähren.
Die Einholung des Gutachtens war aus folgenden Gründen sachlich zur Aufklärung des Sachverhaltes geboten:
Es gibt Meinungen, die besagen, dass das Tragen von Masken für Kinder grundsätzlich harmlos sei. Würde dies zutreffen, wäre die Prüfung, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt, bereits an dieser Stelle beendet. Dem Gericht fehlt zur Beurteilung dieser Frage jedoch die erforderliche Sachkunde. Der Sachverständige Kuhbander führt hierzu (Bl. 29 des Gutachtens) aus:
,,Ein erstes Argument, das man oft hört, ist der Vergleich mit OP-Ärzten, welche ja auch stundenlang während Operationen Masken tragen, ohne dass sich angeblich Beeinträchtigungen zeigen würden …..
Ein weiteres (…. ) Argument stammt vom Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. Jakob Maske. Er hat sich gegenüber der Deutschen Presse-Agentur folgendermaßen geäußert (zitiert nach der Welt [86]):
,Auch kleine Kinder könnten einen Mundschutz tragen. ‚Das ist gar kein Problem‘, erklärt der Experte. Angenommen, ein Kind würde tatsächlich nicht genügend Sauerstoff oder zu viel CO2 einatmen, dann würde es müde werden und sich abgeschlagen fühlen, so der Mediziner. In diesem Fall nähme das Kind die Maske von allein ab‘.
Tatsächlich kommt das Gericht entgegen dieser Behauptungen aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens zu dem Schluss dass von den Gesichtsmasken für Kinder eine erhebliche Gefährdung deren geistigen und körperlichen Wohles ausgehen kann:
a) mögliche körperliche Beeinträchtigungen durch das Tragen der Maske:
Der Sachverständige führt für das Gericht nachvollziehbar und überzeugend folgendes aus (Seite 18 des Gutachtens):
„Einen klaren und eindrücklichen Beleg für die Bandbreite und zahlenmäßige Größenordnung der Nebenwirkungen des Tragens von Masken bei Kindern stellen die Ergebnisse des weltweit ersten Registers dar, in dem – vergleichbar zur Sammlung von Nebenwirkungen von Medikamenten durch das Paul-Ehrlich-Institut – Eltern, Ärzt*innen, Pädagog*innen und andere ihre Beobachtungen zu den Nebenwirkungen des Tragens einer Maske bei Kindern und Jugendlichen eintragen können. Dort werden zum einen mittels einer Checkliste verschiedene mögliche Symptome abgefragt (siehe folgende Tabelle aus dem Artikel), zum anderen können in einem Freitextfeld weitere Symptome angegeben werden.
Die ersten Ergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Monatsschrift Kinderheilkunde publiziert [60]. Binnen einer Woche nach Start des Registers hatten bereits 20.353 Personen Eintragungen vorgenommen, allein die Gruppe der Eltern gab Daten zu 25.930 Kindern ein. Im Artikel werden die Ergebnisse aus den Elterneinträgen berichtet. Die angegebene durchschnittliche Tragedauer der Maske lag bei 270 min am Tag. Insgesamt berichten die Eingebenden zu 68 Prozent, dass Kinder über Beeinträchtigungen durch das Maskentragen klagen. Beispielsweise litten 13.811 der Kinder unter Kopfschmerzen, 12.824 unter Konzentrationsschwierigkeiten, 9.460 unter Schläfrigkeit, 7.700 unter Kurzatmigkeit, 6.848 unter Schwindel, 5.365 unter Ohnmachtsanfällen und 4.292 unter Übelkeit.“
Zwar merkt der Sachverständige an, dass die Einträge der Eltern nicht alle ärztlich gegenvalidiert werden konnten, dennoch ergäben die Einträge nach den Autoren der Studie ein ausgewogenes Gesamtbild mit plausiblem Symptomspektrum und einer gut nachvollziehbaren Beeinträchtigungen, die bei Kindern im Zusammenhang mit der Maske beobachtet werden können. (Bl. 21 des Gutachtens).
Bestätigt würden die beschriebenen Beschwerden auch durch weitere Studien an anderen Personengruppen, die ebenfalls Maske tragen müssen. Studien an Erwachsenen zeigten, dass das Tragen von Masken Effekte auf physiologischer Ebene nach sich ziehen könne.
Der Sachverständige führt hierzu aus (Bl. 22/23 des Gutachtens):
„Studien an Erwachsenen zeigen, dass das Tragen von Masken Effekte auf physiologischer Ebene nach sich ziehen kann, insbesondere unter körperlicher Anstrengung. Bereits nach wenigen Minuten findet sich in manchen Studien eine etwas höhere CO2-Konzentration im Blut, ein schnellerer Herzschlag und eine schnellere Atmung [62,63]. Beim stundenlangen Tragen von OP-Masken zeigt sich auch ein Abfall der Sauerstoffsättigung im Blut. Wichtig ist zum einen anzumerken, dass es auch Studien gibt, in welchen solche Effekte nicht beobachtet werden. Zum anderen ist es wichtig anzumerken, dass sich die Werte beim Tragen von Masken bezogen auf die Durchschnittswerte über die untersuchten Probanden hinweg in einer Größenordnung bewegen, welche laut den gängigen Richtlinien keine klinische Relevanz erreicht.
Allerdings ist zu beachten, dass es bei unerkannten Vorerkrankungen trotzdem zu extremeren Nebenwirkungen wie Panik, Krampfanfällen und Bewusstseinsstörungen kommen kann. Diesbezüglich ist ein wichtiger methodischer Aspekt bei der Interpretation von Studien zu möglichen Nebenwirkungen von Masken anzumerken: Allein aus der Beobachtung, dass es keinen statistisch signifikanten Unterschied in den durchschnittlichen physiologischen Werten zwischen den Bedingungen mit und ohne Maske gibt, kann nicht auf die Nichtexistenz von Nebenwirkungen geschlossen werden. (….).
In Bezug auf die möglichen physiologischen Schäden des Maskentragens bei Kindern ist ein grundlegendes Problem, dass es bisher zu den Wirkungen bei Kindern kaum Studien gibt. Das ist insbesondere deswegen problematisch, weil die beschriebenen Effekte bei Kindern stärker ausfallen könnten, weil der Sauerstoffverbrauch bei Kindern höher und die Atemreserve geringer ist, bei Kindern der prozentuale Anteil des Totraumvolumens der Maske am Gesamtatemvolumen größer ist und sich der Durchströmungswiderstand der Maske aufgrund der schwächer ausgeprägten Atemmuskulatur stärker auswirken kann.
(…) Im Zuge einer umfassenden Literaturrecherche (wurde) eine einzige Studie entdeckt, in welcher die physiologischen Konsequenzen des fünfminütigen Tragens von N95-Masken bei 7-14 Jahre alten Kindern untersucht wurde, einmal beim Lesen und einmal bei leichter körperlicher Belastung [69]. Es zeigte sich, dass sich die CO2-Konzentration (end-tidal carcon dioxid und fractional inspired carbon dioxid) beim Tragen der Maske in beiden Fällen um bis zu 34 Prozent (leichte körperliche Bewegung) anstieg, wobei die Werte noch immer keine klinische Relevanz erreichten.
Das Problem ist allerdings, dass im Zuge der Maskenpflicht im Unterricht Kinder nicht nur fünf Minuten Masken tragen, sondern bis zu zehn Stunden täglich an fünf Tagen pro Woche. Zu solch langen Tragedauern gibt es keinerlei Studien. Das ist insbesondere deswegen als höchst problematisch einzuschätzen, weil es bei der staatlichen Verordnung von verpflichtenden Maßnahmen für Millionen von Kinder aus medizinethischer Perspektive eigentlich unbedingt geboten ist, mögliche Risiken vor der Verordnung der Maßnahme zu prüfen und evidenzbasiert auszuschließen bzw. das Risiko zumindest zu quantifizieren.“
Der Sachverständige führt weiter an, dass es durch die Masken zu einem Erkrankungsbild kommen kann, welches als „ Maskenmund“ bezeichnet wird und welches mit Erkrankungen wie Karies, Mundgeruch und Zahnfleischentzündugen einhergeht. Bei jüngeren Kindern könne es zudem zu einer Verformung der Ohrmuschel kommen. Auf der Maske könnten sich Viren, Bakterien und Pilze ansammeln, welche immer wieder eingeatmet würden und Krankheiten verursachen könnten. Auch durch enthaltene mögliche Giftstoffe in den Masken könnten Gesundheitsgefahren für die Kinder ausgehen.
Zur Überzeugung des Gerichts steht daher fest, dass das körperliche Wohl von Kindern durch das länger andauernde Tragen der Maken, wie im Schulunterricht gefährdet werden kann.
Es folgt weiter den überzeugenden Argumenten des Sachverständigen, der zu den zu Anfang aufgestellten Hypothesen, dass das Masketragen für die Kinder keine Gefahr darstellen würde erklärt:
„ (…) Das Tragen von Masken im Klassenzimmer nicht vergleichbar mit dem Tragen von Masken in Operationssälen. Operationssäle sind mit Hochleistungsbelüftungssystemen ausgestattet, welche einen Überdruck aufrechterhalten und den Sauerstoffgehalt der Raumluft erhöhen. Zudem werden die Masken dort bei Durchfeuchtung sofort gewechselt, was im Klassenzimmer aufgrund der begrenzten Anzahl der Masken pro Kind nicht möglich ist. Weiterhin sind OP-Ärzte im hygienetechnisch sinnvollen Umgang mit der Maske hoch trainiert, so dass Ansteckungen durch die Ansammlung von Keimen auf der Maske über die Hände minimiert werden, was bei Grundschülern aufgrund ihres entwicklungspsychologischen Reifegrads unmöglich ist“.
Dazu, dass Kinder wenn sie müde würden und sich abgeschlagen fühlten, die Maske von alleine abnähmen erklärt er:
„Angesichts dessen, dass es hierzu keinerlei empirische Studien dazu gibt, handelt es sich bei dieser Aussage um eine bloße Hypothese. Wenn strikte Regeln von sozialen Instanzen vorgegeben werden und ein sozialer Druck in der Klasse herrscht, ist es aber aus psychologischer Perspektive nicht zu erwarten, dass insbesondere kleinere Kinder sich in einem solchen Fall von sich aus die Maske abnehmen werden.“
Das Gericht schließt sich dieser überzeugenden Argumentation an.
b) Gefährdung des seelischen Wohls der Kinder
Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Kuhbandner ist durch die Verpflichtung zum Tragen eine Mund-Nasen-Bedeckung an Schulen mit weitreichenden psychischen Beeinträchtigungen der Kinder bzw. mit weitreichenden negativen Effekten hinsichtlich deren Entwicklung und Heranreifung zu rechnen.
Der Gutachter zitiert eine aktuellen Überblicksarbeit zu den Nebenwirkungen des Maskentragens auf das emotionale Erleben und die soziale Kommunikation des Neurowissenschaftlers Manfred Spitzer, der zu dem Schluss kommt, dass das Masketragen zu Einschränkungen der nonverbalen Kommunikation, einer negativen Verzerrung des emotionalen Erlebens und einer Beeinträchtigung der Empathie führt (Bl. 24 des Gutachtens):
„Einschränkung der nonverbalen Kommunikation
Durch das Tragen von Masken wird die nonverbale Kommunikation extrem eingeschränkt, was insbesondere für kleinere Kinder einer der wichtigsten Kanäle für das Entstehen einer tragfähigen sozialen Beziehung darstellt. Weiterhin ist der Gesichtsausdruck einer der zentralen Signale, über welchen wir den eigenen emotionalen Zustand kommunizieren und den emotionalen Zustand des Gegenübers erschließen, was einer der fundamentalen Bausteine der Entwicklung einer hohen emotionalen und sozialen Kompetenz darstellt. Gerade Kinder müssen es erst noch lernen, diese Signale in den Gesichtern anderer zuverlässig zu deuten.
Negative Verzerrung des emotionalen Erlebens
Hinzu kommt ein weiterer negativer Effekt: Laut Studien wird Angst und Trauer eher aus den Augen abgelesen und Freude eher aus er Mundregion. Weiterhin werden ohne das Signal von der Mundregion emotionale Gesichtsausdrücke fehlgedeutet. Ein eigentlich fröhlicher Gesichtsausdruck wird häufig als ein skeptischer Gesichtsausdruck fehlgedeutet, ein überraschter Gesichtsausdruck wird oft als Ärger oder Trauer fehlgedeutet. Das Tragen von Masken könnte also dazu führen, dass man in den Gesichtern anderer seltener positive und verstärkt negative Emotionen wahrnimmt.
Beeinträchtigung der Empathie
Weiterhin wird die Empathie – das Mitfühlen des emotionalen Zustands des anderen – durch das Tragen von Masken beeinträchtigt. Wie Studien zeigen, nimmt man beim miteinander kommunizieren unbewusst den Gesichtsausdruck des Gegenübers ein und fühlt darüber den inneren Zustand des anderen mit, was durch das Tragen einer Maske verhindert wird.“
Weitere Gefahren sieht der Sachverständige durch einen negativen Effekt auf die Sprachübertragung, da höhere Frequenzen gedämpft würden und das visuelle Signal von den Lippen vollständig behindert werde, was sich insbesondere beeinträchtigend auf das Erlernen einer neuen Sprache auswirke.
Eine weitere, für das Gericht ohne weiteres nachvollziehbare Gefahr, sieht der Sachverständige im Auslösen und Aufrechterhalten von entwicklungspsychologisch unangemessenen Ängsten (Bl. 27 des Gutachtens):
„Bezogen auf die Corona-Maßnahmen an Grundschulen kommt das Problem hinzu, dass mit Maßnahmen wie dem Maskentragen oder dem Abstandhalten den Kindern permanent vermittelt, dass sowohl von anderen eine große Gefahr für sie selbst ausgeht, als auch von ihnen selbst für andere. Damit können Ängste und Schuldgefühle einhergehen, mit welchen ein Kind aufgrund seiner entwicklungsbezogenen Unreife nicht umgehen kann. Ist das der Fall, entwickeln sich Angststörungen, welche das Kind in seiner Entwicklung beeinträchtigen.
Länger anhaltende Angst wirkt sich auf verschiedenen Ebenen der Psyche problematisch aus. Die Gedanken beginnen beispielsweise um das angstbesetzte Ereignis zu kreisen, so dass das Kind sich nicht mehr auf andere
Dinge konzentrieren kann. Auf der Ebene der Motivation wird das vermeidungsbezogene Verhaltenssystem chronisch aktiviert, was dazu führt, dass das Kind nicht mehr Dinge anstrebt, welche es erreichen möchte, sondern die Welt zunehmend durch die Brille möglicher drohender Ereignisse betrachtet, welche es vermeiden möchte. Die Konsequenz ist, dass das Kind in seiner Entwicklung zunehmend stehen bleibt und sich zunehmend zurückzieht. Im Extremfall kann das so weit gehen, dass eine Depression entwickelt wird. Dabei kann es auf der Ebene der Hirnentwicklung zu „biologischen Narben“ kommen, was sich in einer lebenslangen erhöhten Vulnerabilität für körperliche und psychosoziale Belastungssituationen niederschlagen kann [80].
Hinzu kommt noch ein weiterer wichtiger Punkt: Die Ängste, welche durch die Corona-Maßnahmen an Schulen ausgelöst werden können, beziehen sich nicht auf einen Aspekt, welcher für uns Menschen wenig Bedeutung hat. Bei einer Angst vor Schlangen ist es beispielsweise so, dass das nicht notwendigerweise stark beeinträchtigend sein muss, weil Schlangen kein relevanter Teil unseres menschlichen Lebens sind. Die Ängste, welche durch die Corona-Maßnahmen an Schulen ausgelöst werden können, betreffen dagegen einen der zentralsten Aspekte des menschlichen Lebens: den Kontakt mit anderen Menschen. Der Mensch ist genuin ein soziales Wesen, das Bedürfnis nach Nähe und guten sozialen Beziehungen ist ein menschliches Grundbedürfnis, genau wie Essen, Trinken oder Schlafen [81].
Mit den an Schulen ergriffenen Maßnahmen wie Maskentragen und Abstandhalten werden also soziale Grundbedürfnisse von Kindern verletzt. Kommt hier noch hinzu, dass Kinder eine Angst vor dem Gegenüber entwickeln, besteht die Gefahr, dass psychische Störungen im sozialen Bereich erworben werden und die soziale Gesundheit von Kindern – und damit die psychische Entwicklung insgesamt – nachhaltig beeinträchtigt wird“.
2. Gefährdung des Kindeswohls im konkreten Fall
Wie die persönliche Anhörung des Kindes am 09.04.2021 ergeben hat, hat sich die für dessen Gesundheit durch das Tragen der Maske bestehende Gefahr bereits realisiert.
Das Kind erklärte in der persönlichen Anhörung, dass es, wenn es die Maske über einen längeren Zeitraum tragen müsse unter Kopfschmerzen und Übelkeit leide. Es sei mehrmals dazu gekommen, dass ihm schwarz vor Augen geworden sei. In der Zeit bis Oktober 2020 sei es bis zu viermal in der Woche dazu gekommen, dass die Mutter es wegen dieser Beschwerden von der Schule abholen musste.
Seit Oktober habe es ein Maskenattest und sei bis kurz vor Ostern hierdurch von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit gewesen.
Der Direktor und die Konrektorin hätten aber dann darauf bestanden, dass ein neues Attest ausgestellt werde. Dieses hätte dann die Mutter in einem persönlichen Gespräch dem Rektor auch gezeigt.
Er habe es aber nicht anerkennen wollen, weil er dies nicht beurteilen könne.
Das Kind äußerte weiter, es gehe sehr gerne in diese Schule und wolle auch sehr gerne weiter dort hingehen. Die Maske sei aber ein Riesenproblem für es. Es könne jetzt nicht wie eine Freundin, die ebenfalls ein Attest gehabt habe, einfach mit Maske gehen.
Für das körperliche Wohl des betroffenen Kindes besteht durch die Anordnung der Schulleitung, eine Maske zu tragen, eine in einem solchen Maß vorhandenen Gefahr, dass sich bei weiterer Entwicklung ohne Intervention eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt bzw. ist diese Schädigung bereits eingetreten.
Die gesundheitlichen Folgen der Maske, wie Kopfschmerzen und Übelkeit, die sogar so weit gingen, dass dem Kind schwarz vor Augen wurde, sind massive, nicht hinnehmbare körperliche Beeinträchtigungen des Kindes. Diese sind zur Überzeugung des Gerichts auch nicht auf andere Ursachen zurückzuführen, insbesondere nicht, wie vielleicht vermutetet werden könnte, darauf, dass die Eltern des Kindes diesem die Beschwerden eingeredet hätten. Nicht ohne Grund hatte das Kind ein Attest. Zudem hat das Kind in der Anhörung angegeben, dass die Mutter schon davon genervt gewesen sei, wie oft sie es habe abholen müssen.
3. Stellungnahme des Verfahrensbeistandes:
Der Verfahrensbeistand hat mit Datum vom 12.04.2021 Stellung genommen. Er empfiehlt, das Kind aufgrund des vorgelegten Attestes und der glaubhaft geschilderten Beschwerden, von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung zu befreien.
4. Stellungnahme des zu Kultusministeriums:
Seitens des Kultusministeriums wurde zum konkreten Fall innerhalb laufender Frist keine Stellungnahme abgegeben. Aus dem e-Mail- Verkehr der Eltern mit der zuständigen Mitarbeiterin des Ministerialbauftragten für die Realschulen in Oberbayern-Ost geht folgendes hervor:
Wer eine solche Befreiung in Anspruch nehmen wolle, müsse den Befreiungsgrund glaubhaft machen. Geschehe dies durch ein ärztliches Attest, müsse dieses zum einen nachvollziehbare Befundtatsachen sowie eine Diagnose enthalten. Zum anderen müsse es darlegen, welche Nachteile für die Schülerin oder den Schüler in der konkreten Tragesituation zu erwarten seien. Eine bloße Aufzählung von Symptomen ergäbe noch keine tragfähige medizinische Diagnose. Es seien auch Grundrechtspositionen andere Schüler betroffen, nämlich das Recht auf Leben und Gesundheit, für die die Schule eine herausgehobene Verantwortung trage.
III. Verfassungswidrigkeit der 12. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung
Das Gericht hatte selbst über die Verfassungsmäßigkeit der Normen zu entscheiden, weil die Vorlagepflicht gem. Art. 100 Abs. 1 GG nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (grundlegend BVerfGE 1, 184 (195ff)) nur für förmliche Gesetze des Bundes und der Länder, nicht aber für nur materielle Gesetze wie Rechtsverordnungen gilt. Über deren Vereinbarkeit mit der Verfassung hat jedes Gericht selbst zu entscheiden.
Die 12. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung in der Fassung vom 05.03.2021, gültig bis 18.04.2021 lautet in den entscheidenden Passagen wie folgt:
§ 1
Abstandsgebot, Mund-Nasen-Bedeckung
(1) 1Jeder wird angehalten, die physischen Kontakte zu anderen Menschen auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren und den Personenkreis möglichst konstant zu halten. 2Wo immer möglich, ist ein Mindestabstand zwischen zwei Personen von 1,5 m einzuhalten. 3Wo die Einhaltung des Mindestabstands im öffentlichen Raum nicht möglich ist, soll eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden. 4In geschlossenen Räumlichkeiten ist stets auf ausreichende Belüftung zu achten.
(2) 1Soweit in dieser Verordnung die Verpflichtung vorgesehen ist, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen (Maskenpflicht) oder eine medizinische Gesichtsmaske zu tragen, gilt:
1. Kinder sind bis zum sechsten Geburtstag von der Tragepflicht befreit;
2. Personen, die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aufgrund einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist, sind von der Trageverpflichtung befreit; die Glaubhaftmachung erfolgt bei gesundheitlichen Gründen insbesondere durch eine ärztliche Bescheinigung, die die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie den Grund, warum sich hieraus eine Befreiung der Tragepflicht ergibt, enthält;
3. das Abnehmen der Mund-Nasen-Bedeckung ist zulässig, solange es zu Identifikationszwecken oder zur Kommunikation mit Menschen mit Hörbehinderung oder aus sonstigen zwingenden Gründen erforderlich ist.
2Soweit in dieser Verordnung die Verpflichtung vorgesehen ist, eine FFP2-Maske oder eine Maske mit mindestens gleichwertigem genormten Standard zu tragen (FFP2-Maskenpflicht), gilt Satz 1 entsprechend mit der Maßgabe, dass Kinder zwischen dem sechsten und dem 15. Geburtstag nur eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen müssen.
§ 18 Schulen
(1) 1Unterricht und sonstige Schulveranstaltungen im Sinne des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) sowie die Mittagsbetreuung an Schulen sind nach Maßgabe der folgenden Sätze zulässig, wenn durch geeignete Maßnahmen sichergestellt ist, dass dem Infektionsschutz Rechnung getragen wird. 2Die Schulen und die Träger der Mittagsbetreuung haben für alle Tätigkeiten auf dem Schulgelände und in der Notbetreuung ein Schutz- und Hygienekonzept auf der Grundlage eines ihnen von den Staatsministerien für Unterricht und Kultus und für Gesundheit und Pflege zur Verfügung gestellten Hygieneplans (Rahmenhygieneplan) auszuarbeiten und auf Verlangen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde vorzulegen. 3 Es gilt:
1. in Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen eine 7-Tage-Inzidenz von 100 überschritten wird, findet unter den Voraussetzungen des Abs. 4
a) in der Jahrgangsstufe 4 der Grundschulstufe, der Jahrgangsstufe 11 der Gymnasien und der Fachoberschulen sowie in Abschlussklassen Präsenzunterricht, soweit dabei der Mindestabstand von 1,5 m durchgehend und zuverlässig eingehalten werden kann, oder Wechselunterricht und
b) an allen übrigen Schularten und Jahrgangsstufen Distanzunterricht statt;
2. in Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen die 7-Tage-Inzidenz zwischen 50 und 100 liegt, findet Präsenzunterricht, soweit dabei der Mindestabstand von 1,5 m durchgehend und zuverlässig eingehalten werden kann, oder Wechselunterricht statt;
3. in Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen eine 7-Tage-Inzidenz von 50 nicht überschritten wird, findet
a) in den Klassen der Grundschulstufe Präsenzunterricht und
b) an allen übrigen Schularten und Jahrgangsstufen Präsenzunterricht, soweit dabei der Mindestabstand von 1,5 m durchgehend und zuverlässig eingehalten werden kann, oder Wechselunterricht statt.
4Abweichend von § 3 bestimmt die zuständige Kreisverwaltungsbehörde durch amtliche Bekanntmachung jeweils am Freitag jeder Woche die für den betreffenden Landkreis oder die kreisfreie Stadt maßgebliche Inzidenzeinstufung nach dem jeweils aktuellen Stand der Veröffentlichung des Robert Koch-Instituts. 5Die für den Inzidenzbereich maßgebliche Regelung gilt dann für den betreffenden Landkreis oder die kreisfreie Stadt jeweils für die Dauer der darauffolgenden Kalenderwoche von Montag bis zum Ablauf des folgenden Sonntags. 6Regelungen zur Notbetreuung werden vom zuständigen Staatsministerium erlassen.
(2) 1Auf dem Schulgelände, in der Mittagsbetreuung und in allen Angeboten der Notbetreuung besteht Maskenpflicht, für die Lehrkräfte gilt darüber hinaus die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske im Rahmen der arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen. 2Unbeschadet des § 1 sind von der Maskenpflicht ausgenommen:
1. Schülerinnen und Schüler nach Genehmigung des aufsichtführenden Personals aus zwingenden pädagogisch-didaktischen oder schulorganisatorischen Gründen,
2. Schulverwaltungspersonal nach Erreichen des jeweiligen Arbeitsplatzes, sofern nicht weitere Personen anwesend sind,
3. Schülerinnen und Schüler während einer effizienten Stoßlüftung des Klassen- oder Aufenthaltsraums sowie kurzzeitig im Außenbereich unter freiem Himmel, solange dabei verlässlich ein ausreichender Mindestabstand eingehalten wird.
3Die jeweiligen Erziehungsberechtigten müssen dafür sorgen, dass die Schülerinnen und Schüler der Maskenpflicht nachkommen.
(3) Die Abs. 1 bis 2 gelten auch für den Lehr- und Studienbetrieb am Staatsinstitut für die Ausbildung von Fachlehrern und am Staatsinstitut für die Ausbildung von Förderlehrern.
(4) 1Am Präsenzunterricht und an Präsenzphasen des Wechselunterrichts nach Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 dürfen nur Schülerinnen und Schüler teilnehmen, die zu Beginn des Schultages über ein schriftliches oder elektronisches negatives Ergebnis eines PCR- oder POC-Antigentests in Bezug auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 verfügen und auf Anforderung der Lehrkraft vorweisen oder in der Schule unter Aufsicht einen Selbsttest mit negativem Ergebnis vorgenommen haben. 2Die dem Testergebnis zu Grunde liegende Testung oder der in der Schule vorgenommene Selbsttest dürfen höchstens 48 Stunden vor dem Beginn des jeweiligen Schultags vorgenommen worden sein. 3Soweit Tests in der Schule vorgenommen werden, verarbeitet die Schule das Testergebnis ausschließlich für den schulischen Zweck der Aufrechterhaltung des Präsenzunterrichts; eine Übermittlung an Dritte findet nicht statt. 4Das Testergebnis wird höchstens 14 Tage aufbewahrt.
Art 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland lautet:
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
(2) 1Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. 2Die Freiheit der Person ist unverletzlich. 3In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.
Art. 6 lautet:
(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
(2) 1Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. 2Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.
Art. 6 soll um folgende Passage ergänzt werden:
Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt.
§ 18 Abs. 2 der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung ist jedenfalls materiell verfassungswidrig, weil er in unverhältnismäßiger Weise in das Recht der Kinder auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und in ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit eingreift, ohne ihr Wohl angemessen zu berücksichtigen und ohne ihr Recht auf Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit zu achten und zu schützen.
Die genannte Verordnung beruht auf §§ 28, 28a IfSG. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG als Generalklausel ausgestaltet. Darüber hinaus hat er nunmehr in § 28a Abs. 1 IfSG – im Rahmen dessen Anwendungsbereichs während einer aktuellen Pandemielage – bestimmte Standardschutzmaßnahmen benannt, unter anderem in Ziff. 2 die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung.
Im Rahmen der summarischen Prüfung im Verfahren der einstweiligen Anordnung kann und muss offen bleiben, ob § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dem Bestimmtheitsgebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügt, bejaht hat dies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30. März 2020 – 20 NE 20.632 –, Rn. 45, juris.
Nach Auffassung des Gerichts zweifelhaft ist jedoch, ob die Tatbestandsvoraussetzung des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG n.F. – d.h. die Feststellung von Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen oder Ausscheidern – gegeben ist. Nach Auffassung des Bayersichen Verwaltungsgerichtshofes ist dies derzeit im ganzen Bundesgebiet und damit auch im Freistaat Bayern nach der Einschätzung des vom Gesetzgeber durch § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 IfSG hierzu vorrangig berufenen Robert-Koch-Instituts vom 26. März 2020 (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html) der Fall. (Bay VGH a.a. O).
Das deutsche Robert Koch-Institut ist laut Wikipedia eine selbständige Bundesoberbehörde im Sinne des Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG (§ 2 BGA-Nachfolgegesetz) und ist damit gegenüber der Bundesregierung bzw. dem Bundesgesundheitsminister weisungsgebunden. Es ist die Nachfolgeorganisation des 1994 aufgrund von Infektionen durch HIV-kontaminierte Blutprodukte sowie nicht erfolgter Warnung vor kontaminierten Holzschutzmitteln aufgelösten Bundesgesundheitsamtes. Im folgenden wird es als RKI bezeichnet. Da das Institut nicht unabhängig ist, können die Gerichte im Rahmen der gebotenen Sachverhaltsaufklärung nicht allein auf dessen Einschätzung zurückgreifen.¹
Nach offiziellen Verlautbarungen der WHO ist der PCR-Test, auf dem die Inzidenzzahlen im wesentlichen beruhen, kein geeignetes Mittel, um eine Krankheit oder einen Ansteckungsverdacht festzustellen¹:
Die WHO schreibt hierzu in einer Notice for IVD-Users:
WHO reminds IVD users that disease prevalence alters the predictive value of test results; as disease prevalence decreases, the risk of false positive increases (2). This means that the probability that a person who has a positive result (SARS-CoV-2 detected) is truly infected with SARS-CoV-2 decreases as prevalence decreases, irrespective of the claimed specificity.
Most PCR assays are indicated as an aid for diagnosis, therefore, health care providers must consider any result in combination with timing of sampling, specimen type, assay specifics, clinical observations, patient history, confirmed status of any contacts, and epidemiological information. (https://www.who.int/news/item/20-01-2021-who-information-notice-for-ivd-users-2020-05).
Das heißt, dass die Zahl der falsch positiven Testresultate umgekehrt proportional zu den Symptomen der getesteten Personen ansteigt. Je weniger klinische Symptome die Personen aufweisen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Tests ein falschpositives Ergebnis liefern.
Das Gericht maßt sich hier nicht mehr Sachkunde an, als ihm zusteht, sondern hat versucht, sich die erforderliche Sachkunde mittels der zur Verfügung stehenden Quellen zu verschaffen, was grundsätzlich auch Aufgabe des Verordnungsgebers wäre. Letzendlich kann dies aber dahinstehen, da auch wenn man den Anwendungsbereich der Verordnung für eröffnet hält, § 14 Abs. 2 der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung jedenfalls der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht standhält.
Wenn man den Anwendungsbereich der Vorschrift für eröffnet und den Verordnungsgeber zum Handeln aufgrund des IfSG ermächtigt bzw. sogar verpflichtet sieht, hat dieser ein Ermessen hinsichtlich der Auswahl der anzuwendenden Schutzmaßnahmen.
Das Ermessen wird dadurch beschränkt, dass es sich um „notwendige“ Schutzmaßnahmen handeln muss, nämlich Maßnahmen, „soweit“ sie zur Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung der Krankheit „erforderlich“ sind. Weiterhin betont das Gesetz den zeitlichen Aspekt: Maßnahmen dürfen nur getroffen werden, „solange“ sie erforderlich sind. Insgesamt sind dem Ermessen damit durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 – 3 C 16.11 – juris Rn. 24 unter Bezugnahme auf die Gesetzgebungsmaterialien: Bundestag-Drs. 8/2468, S. 27). (Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 02. Februar 2021 – 3 EN 21/21 –, Rn. 31 – 32, juris).
Die Verwaltungsgerichte gehen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass dem Verordnungsgeber hinsichtlich der zu wählenden/gewählten Mittel ein Einschätzungsspielraum einzuräumen ist, soweit sich nicht andere Maßnahmen als gleich geeignet und weniger belastend darstellen (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30. März 2020 – 20 NE 20.632 –, juris, Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 02. Februar 2021 – 3 EN 21/21 –, juris).
Diese Einschätzungsprärogative geht jedoch nicht so weit, dass sie den Verordnungsgeber ermächtigt, im Bezug auf das angestrebte Ziel ungeeignete Maßnahmen zu ergreifen.
1. Fehlende Geeignetheit der Masken zur Reduzierung des Ansteckungsrisikos
Die Anordnung der Maskenpflicht auf dem Schulgelände, in der Mittagsbetreuung und in allen Angeboten der Notbetreuung gem. § 18 Abs. 2 der Verordnung ist bereits kein geeignetes Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks.
Das Gericht hat ein Sachverständigengutachten zu folgenden Beweisfragen erholt:
– Kann das Tragen von Gesichtsmasken unterschiedlicher Art das Infektionsrisiko mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (nennenswert) senken? Dabei soll zwischen Kindern im Besonderen und Erwachsenen im Allgemeinen und zwischen asymptomatischen, präsymptomatischen und symptomatischen Menschen unterschieden werden.
– Besteht überhaupt ein Infektionsrisiko, das durch das Tragen von Gesichtsmasken (oder andere Maßnahmen) abgesenkt werden könnte.
Als Sachverständige bestimmt und mit der Begutachtung beauftragt wurde Frau Prof. Dr. med. Ines Kappstein Fachärztin für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie, Fachärztin für Hygiene und Umweltmedizin.
Weiter hat es den bereits o.g. Prof.Kuhbandner zu folgenden Beweisfragen beauftragt:
– Bieten Kinder möglicherweise sogar eine „Schutzfunktion“ vor der Verbreitung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in dem Sinne, dass sie die Verbreitung des Virus eher abbremsen und vor schweren Covid-19-Erkrankungen eher schützen?
– Welches methodische Niveau und ggfls. welche methodischen Mängel weisen existierende Studien zum Infektionsgeschehen an Schulen und zu der Wirksamkeit von Maßnahmen wie Maskentragen und Abstandhalten an Schulen auf?
Wie bereits ausgeführt, handelt es sich um Fragen, die das Gericht nicht aus eigener Sachkunde beantworten kann, die aber für die zu treffende Entscheidung von Relevanz sind. Das Gericht ist daher im Rahmen der gebotenen Sachaufklärung verpflichtet, sich soweit möglich die notwendige Sachkunde zu verschaffen. Dies stellt nicht, wie der BayVGH in Bezug auf ein gar nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fallendes Bußgeldurteil meinte, eine Anmaßung (siehe entsprechende Pressemitteilung der Pressestelle des BayVGH zum Urteil des AG Weimar vom 11.01.2021) dar, sondern die sich aus § 26 FamFG ergebende Pflicht.
Die Sachverständige Frau Prof. Kappstein, an deren Eignung und Qualifikation das Gericht keinen Zweifel hat, kommt als Fazit ihres 69 Seiten umfassenden Gutachtens zu folgendem Schluss:
Es gibt keine Belege dafür, dass Gesichtsmasken unterschiedlicher Art das Infektionsrisiko durch SARS-CoV-2 überhaupt oder sogar nennenswert senken können. Diese Aussage trifft auf Menschen aller Altersgruppen zu, also auch auf Kinder und Jugendliche sowie auf asymptomatische, präsymptomatische und symptomatische Personen.
Im Gegenteil besteht eher die Möglichkeit, dass durch die beim Tragen von Masken noch häufigeren Hand-Gesichtskontakte das Risiko erhöht wird, selbst mit dem Erreger in Kontakt zu kommen oder Mit-Menschen damit in Kontakt zu bringen.
Für die normale Bevölkerung besteht weder im öffentlichen noch im privaten Bereich ein Infektionsrisiko, das durch das Tragen von Gesichtsmasken (oder anderen Maßnahmen) gesenkt werden könnte.
a) Kein wissenschaftlicher Beleg für die Wirksamkeit der Masken gegen die Ausbreitung des Virus SarsCov2
Zur Beantwortung der Beweisfragen hat die Sachverständige sich mit der Fachliteratur auseinandergesetzt, die für die Effektivität von Masken in der Öffentlichkeit angeführt wird und welche veröffentlichten Untersuchungen es gibt, die gegen diese Effektivität sprechen. (Abschnitt A des Gutachtens).
Sie untersucht zunächst die Neubewertung des Robert-Koch-Instituts im Hinblick auf den nach dessen Einschätzung gegebenen Fremdschutz der Masken (Bl. 3 ff. des Gutachtens).
Das RKI empfiehlt nach dieser Neubewertung Masken in der Öffentlichkeit (… als einen weiteren Baustein, um Risikogruppen zu schützen.., damit der Träger der Maske, der vielleicht bereits unbemerkt infiziert ist und den Erreger schon im respiratorischen Sekret ausscheidet, seine respiratorischen Tröpfchen nicht ungehindert, z.B. beim Sprechen, freisetzen kann. Die Tröpfchen sollen durch die Maske zu einem wesentlichen Teil zurückgehalten werden, um so den Kontakt anderer Menschen mit dem Erreger zu verhindern.
Die Sachverständige führt für das Gericht nachvollziehbar und überzeugend aus, dass eine wissenschaftlich belegte Grundlage für die Neubewertung des RKI fehlt, weil die unbemerkte Übertragung gerade nicht durch wissenschaftliche Daten belegt ist (Seite 9 ff des Gutachtens):
„Ende November 2020 wurde eine Untersuchung aus China publiziert, die über das Ergebnis eines PCR-Screening-Programms in ganz Wuhan zwischen 14. Mai und 1. Juni 2020 berichtet. Dabei wurden fast 10 Millionen (!) Menschen untersucht. Neue symptomatische Fälle wurden nicht gefunden, aber 300 asymptomatische Personen.
Unter den engen Kontaktpersonen dieser asymptomatischen Personen (N = 1.174) fand sich kein positiver Fall. Es gab also keinen Hinweis auf asymptomatische Übertragungen, obwohl jeweils nur enge Kontaktpersonen untersucht wurden.
Ein systematischer Review mit Metaanalyse über Corona-Übertragungen in Haushalten erschien im Dezember 2020 und ergab erwartungsgemäß eine höhere Übertragungsrate ausgehend von symptomatischen Index-Fällen (18,0%) als ausgehend von asymptomatischen Fällen, bei denen die Übertragungsrate sogar nur 0,7% betrug [22]. Dieses Ergebnis ist deshalb von besonderem Interesse, weil (allerdings aus unterschiedlichen Gründen) Einigkeit darüber herrscht, dass das Risiko für respiratorische Erregerübertragungen in Innenräumen besonders hoch und außerhalb von Gebäuden, d.h. an der ‚frischen‘ Luft, zu vernachlässigen ist, aber dennoch war die asymptomatische Übertragungsrate in Haushalten äußerst gering, obwohl man dabei auf relativ engem Raum mit zahlreichen direkten (auch via Haut- und Schleimhaut) und indirekten Kontakten zusammenlebt und somit einem Erregerkontakt an sich kaum entgehen kann, wenn ein Mitglied des Haushalts infiziert ist. Wenn also die Erregerübertragung ausgehend von asymptomatischen Personen eine Rolle spielen sollte, müsste sich das gerade bei engen, d.h. nahen Haut- und Schleimhaut-Kontakten in Haushalten (= Innenräume) zeigen. Wie gering dann aber erst das Risiko sein muss, dass eine Erregerübertragung ausgehend von asymptomatischen Personen bei den flüchtigen Kontakten im öffentlichen Raum stattfindet, ist nie untersucht worden.“
Demgegenüber beruht nach den Ausführungen der Sachverständigen eine weitere Studie aus Januar 2021, deren Autoren zu der Annahme kommen, dass mindestens 50% aller neuen SARS-CoV-2 Infektionen auf Kontakten mit asymptomatischen Personen auf mathematischen Modellierungen und Schätzungen und nicht auf realen Kontaktauswertungen
Eine Auswertung von Studien aus dem realen Leben habe demgegenüber gezeigt, dass ausgehend von asymptomatischen Personen deutlich weniger sekundäre Fälle entsünden als von symptomatischen bzw. präsymptomatischen, die aber auch selten mit sekundären Fällen assoziiert gewesen seien. Die meisten Übertragungen hätten sich darauf zurückführen lassen, dass die sekundär betroffenen Fälle mit den Index-Fällen zusammenlebten oder dass die Erregerübertragungen auf Gruppen-Aktivitäten, wie gemeinsame Mahlzeiten oder Brettspiele, zurückgegangen seine, allesamt also wieder Situationen mit direkten Kontakten, mit indirekten Kontakten oder mit Tröpfchenkontakt.
Zusammenfassend kommt die Sachverständige für das Gericht nachvollziehbar und überzeugend zu folgendem Schluss (Seite 11).
Das RKI gab als Grund für die ‚Neubewertung‘ von Masken¹ für die Bevölkerung im öffentlichen Raum an [1], dass es ‚zunehmende Evidenz‘ gebe, dass man schon vor dem Erscheinen der ersten Symptome infektiös sein könne, also zu einem Zeitpunkt, wo noch keine Hinweise dafür vorliegen, dass man infiziert ist. Das ist jedoch schon lange von anderen Virusinfektionen bekannt und bedeutet in keinem Fall, dass der Erreger dann auch tatsächlich übertragen wird, sondern nur, dass eine Übertragung abhängig von zahlreichen anderen Faktoren möglich ist. Das RKI stützte sich als Beleg dafür, dass es sich dabei um ein hohes Risiko sog. unbemerkter Übertragungen handelt, auf mathematische Schätzungen, die mit ihren Modellen einen sehr hohen Anteil solcher Übertragungen errechnet haben. Das RKI hat aber Ergebnisse aus zuvor (also vor Erscheinen des RKI-Beitrags) publizierten Kontakt-Tracing-Untersuchungen, aus denen realistischere Angaben ermittelt wurden, weggelassen. Das ist mit den Grundsätzen wissenschaftlichen Arbeitens nicht vereinbar, und damit berücksichtigt das RKI nicht den für alle Behörden etc. in § 1 (2) IfSG formulierten Auftrag, ‚entsprechend dem jeweiligen Stand der medizinischen und epidemiologischen Wissenschaft …‘ zu arbeiten.
Das Gericht schließt sich den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen an.
Damit liefert jedenfalls die Neubewertung des RKI keine überzeugende Grundlage für die Beurteilung der Masken als geeignetes Mittel zur Erreichung des mit der Verordnung angestrebten Zwecks.
Die Sachverständige untersucht im folgenden (Bl. 11 ff. ) die Bedeutung experimenteller Maskenstudien. Ihr Fazit hierbei ist dass wenn festgestellt werden könne, dass Masken ‚wirken‘, weil das Material prinzipiell Tröpfchen und Partikel zurückhalten kann, sei das keine Grundlage dafür, eine konkrete Wirksamkeit dahingehend zu belegen, dass die Übertragung des neuen Coronavirus dadurch verhindert oder mindestens reduziert und der ‚Infektionsdruck und damit die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung‘ reduziert werden können. Dies folgert sie daraus, dass im öffentlichen Raum die Mindestzeitt, damit ein Erregerkontakt überhaupt stattfinden kann, in der Regel nicht gegeben ist und zudem auch die Masken von der Bevölkerung nicht korrekt getragen werden. Bei einer vom RKI zitierten Studie (Hongkong-Studie) die zur Wirksamkeit von Masken angeführt werde, habe das RKI nicht berücksichtigt, dass eine derartige Wirkung (Reduktion der Ausscheidung von Atemwegsviren) nur erzielt werden könne, wenn Masken korrekt angelegt seien, worauf von den Studienleitern bei jedem einzelnen Probanden geachtet worden sei.
Niemand aber stehe zur Verfügung, um den (darin völlig ungeübten) Menschen in der Öffentlichkeit zu zeigen, wie Masken korrekt getragen werden (müssen), damit sie prinzipiell wirksam sein könnten.
Als Fazit aus der Hongkong-Studie führt sie aus (Bl. 14/15):
Obwohl genau dafür als Beleg im Beitrag des RKI zitiert, liefert die Studie keinen Hinweis darauf, dass das generelle Tragen von Masken (ob professionelle OP-Masken oder sog. Community-Masken) im öffentlichen Raum (z.B. Geschäfte, ÖPNV, Schulen, Büros) das Risiko einer Infektion für die Personen reduzieren kann, denen man währenddessen begegnet – dies allerdings mit Kontaktzeiten, die im Vergleich zu der Messdauer in der Studie von 30 min in aller Regel deutlich kürzer sind. Die Studienergebnissen zeigen hingegen, dass das Risiko, mit ausgeschiedenen Viren anderer Menschen in Kontakt zu kommen, selbst wenn sie akut infiziert sind und entsprechende klinische Symptome haben, noch einmal sehr viel geringer und wahrscheinlich zu vernachlässigen ist, wenn man nicht direkt angehustet wird, eine Situation, die die meisten Menschen in der Öffentlichkeit kaum je wirklich erlebt haben werden, auch wenn gerade eine solche Situation als Risiko und damit als (eine) Begründung für Masken angeführt wird. Schließlich ist es nicht nachvollziehbar, dass das RKI ausgehend von einer Studie, in der gerade einmal maximal 11 Probanden mit Nachweis saisonaler Coronaviren untersucht wurden und in der die Studienleiter auch noch den korrekten Sitz der Masken überprüften bzw. ggf. korrigierten, davon spricht, dass Masken eine ‚relevante Reduktion‘ der Virus-Freisetzung bewirkten. Erst dadurch wurde dieses wenig aussagefähige Teilergebnis der Studie zu einer Begründung dafür erklärt, dass Masken ‚wirken‘. Wie aber das RKI von einem Ergebnis ausgehend von nur 11 Probanden (noch dazu mit akuter respiratorischer Infektion) auf eine ähnliche Wirkung beim Tragen von Masken durch eine Bevölkerung von knapp 80 Millionen (ohne Symptome) schließen kann, soll hier nicht hinterfragt werden.
Das Gericht geht abweichend von der Sachverständigen davon aus, dass die Situation, direkt angehustet zu werden im schulischen Kontext bei zwei nebeneinandersitzenden Kindern durchaus vorkommen kann. Dieses Übertragungsrisiko könnte aber sehr viel leichter als durch unter Umständen falsch getragene und damit nutzlose Masken dadurch reduziert werden, dass Kinder mit Erkältungssymptomen konsequent nicht die Schule besuchen oder entsprechend, wenn diese Symptome plötzlich auftreten nach Hause geschickt werden. Im übrigen sind zumindest Kinder ab dem Grundschulalter bereits derart sensibilisiert für die Ansteckungsgefahr, dass die Gefahr, dass eines das andere anhustet und nicht wie propagiert in die Armbeuge hustet, durchaus vernachlässigbar ist.
Die Sachverständige untersucht im weiteren die Einschätzung der WHO vom Juni 2020 und kommt zu folgendem Resümee (Bl. 20 ff.):
Obwohl die WHO auch in der aktuellsten Stellungnahme vom Dezember 2020 (im Übrigen wie zuvor im Juni 2020) ausdrücklich feststellt, dass die wissenschaftlichen Belege, die für eine Effektivität von Masken in der Öffentlichkeit bei der Prävention respiratorischer Infektionen (einschließlich durch SARS-CoV-2) sprechen, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur begrenzt und noch dazu widersprüchlich sind, spricht sie dennoch eine Empfehlung für Masken in bestimmten epidemiologischen Situationen für die normale Bevölkerung aus.
Bei der Masken-Empfehlung der WHO handelt es sich also nicht um eine wissenschaftlich begründete Empfehlung. Ob tatsächlich politisches Lobbying dahinter stand, muss hier nicht diskutiert werden, aber es muss festgehalten werden, dass die WHO als wissenschaftliche Gesundheitsbehörde der UNO für die gesamte Welt ihre Maskenempfehlung gerade nicht auf einer wissenschaftlichen Basis getroffen hat. Dies zeigen die Ergebnisse der in diesem Gutachten ausgewerteten wissenschaftlichen Fachliteratur:
Danach gibt es keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Masken, die von gesunden Menschen in der Öffentlichkeit, z.B. beim Einkaufen, im ÖPNV, in Büros und Schulen, getragen werden müssen, einen nachvollziehbaren und quantifizierbaren Beitrag dabei leisten, die Ausbreitung des neuen Coronavirus auch nur zu reduzieren.
Die möglichen Vorteile, die die WHO im Zusammenhang mit dem Tragen von Masken anführt, sind deshalb zum einen die mehr oder weniger evidente (im deutschen Sinne, also: offensichtliche) Feststellung, dass dadurch die Verbreitung virushaltiger respiratorischer Tröpfchen reduziert werden könne. Zum anderen handelt es sich bei den angeführten potentiellen Vorteilen lediglich um mögliche Auswirkungen auf psychologischer Ebene.
Die WHO empfiehlt für die Bevölkerung ausschließlich nicht-medizinische Masken und nach wie vor nur in besonderen epidemiologischen Situationen und damit auch nur in umschriebenen Regionen mit hohen Infektionszahlen in der Fläche sowie lokal bei Ausbrüchen, ohne aber einen Anhalt für das Ausmaß der Fallzahlen zu geben, auf jeden Fall aber nicht als allgemeine (landesweite) Maskenpflicht, wie es Deutschland seit dem Frühjahr 2020 erlebt. Als Grundlage für die generelle Maskenpflicht kann die WHO-Empfehlung deshalb ebenfalls nicht herangezogen werden.
Weiter untersucht die Sachverständige den Lancet Review von Anfang Juni 2020 und kommt zu dem Schluss, dass auch dieser keine Hinweise für eine Wirksamkeit von Masken im öffentlichen Raum liefert.
Auf Seiten 26 ff. des Gutachtens setzt sich die Sachverständige mit der sog. Jena-Studie auseinander, die in den Medien gerne als klarer Beleg für die Masken angeführt werde.
Gerade aufgrund der großen Bekanntheit dieser Studie, die aufgrund der angeführten Berichterstattung in den Medien zu einer großen Akzeptanz der Masken in der Öffentlichkeit geführt hat und die auch den meisten Lehrkräften und Eltern bekannt sein dürfte, sollen im folgenden die Ausführungen der Sachverständigen hierzu insgesamt aufgeführt werden:
In einer erstmals Anfang Juni 2020 publizierten Modellierungsstudie wird über den Effekt der Maskenpflicht am Beispiel der Stadt Jena sowie anderer Städte und Regionen in Deutschland berichtet [50]. Im August 2020 wurde die Studie leicht modifiziert nochmals publiziert [51] und erschien zum dritten Mal in der zweiten, bereits modifizierten Fassung im Dezember 2020 [52]. Die dritte Publikation wurde im Juli bei der Zeitschrift eingereicht, also nur kurz nach Erscheinen der ersten (und kurz vor Erscheinen der zweiten), wurde im November letztlich angenommen und im Dezember 2020 publiziert. Von den Medien wurde sie im Dezember wie eine neue Studie vorgestellt, was sie aber vom Untersuchungsgegenstand her nicht ist.
Die sog. Jena-Studie wird – neben dem ‚Lancet-Review‘ – in den Medien gerne als klarer Beleg für die Wirksamkeit von Masken angeführt, im Übrigen auch – tatsächlich – zusammen mit einer Studie an Goldhamstern (‚Hamster‘-Studie; siehe unten), also einer tierexperimentellen Arbeit.
Die Autoren der ‚Jena-Studie‘ sind sämtlich Makroökonomen, die mit derselben Methodik (‚synthetische Kontrollmethode‘) Untersuchungen im Auftrag der Politik durchführen, um die Auswirkungen politischer Entscheidungen (sog. ‚Reformen‘) mathematisch zu ‚modellieren‘. In der Untersuchung wurde die Entwicklung der Corona-Fallzahlen nach Einführung der Maskenpflicht in Jena mit der in vergleichbaren Städten (= synthetisches Jena) ohne Maskenpflicht verglichen. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Maskenpflicht zu einer ca. 40%igen Reduktion der täglichen Zuwachsrate an Corona-Infektionen geführt habe.
Unberücksichtigt bleibt in der Studie jedoch der epidemiologisch entscheidende Aspekt, dass bereits ab dem 1. März 2020 (also etwa 5 Wochen vor der Einführung einer Maskenpflicht im öffentlichen Raum in der Stadt Jena) die Ausbreitungsrate des neuen Coronavirus zurückging und dass am 10. März der R-Wert – nach Angaben des RKI – schon unter 1 lag [53, 54]. Ab Ende März gab es in Jena keine relevanten Infektionszahlen mehr. Daraus folgt, dass die Einführung der Maskenpflicht (ab 6. April zunächst in Jena, etwa drei Wochen später dann auch im gesamten Bundesgebiet) in eine Phase der Corona-Epidemie fiel, in der es schon zu einem kontinuierlichen und deutlichen Rückgang der Infektionszahlen gekommen war, eine Entwicklung, die sich anschließend weiter fortsetzte. Einen Effekt der Maskenpflicht auf den Rückgang der Infektionszahlen kann man daraus also nicht ableiten, weil sich beides überlagert, dies aber in der Modellierungsstudie nicht berücksichtigt wurde.
Besonders wichtig für die Beurteilung der ‚Jena-Studie‘ ist, dass sich das Infektionsgeschehen in Jena nach den Daten des RKI noch dazu nur auf wenige Tage im März konzentriert hat und der überwiegende Teil vor Mitte März stattfand: Es gab (1) ca. 3 – 5 positive Fälle Ende Februar, (2) zwischen 43 und 53 positive Fälle am Wochenende um den 7. – 9. März und (3) zwischen 59 und 73 positive Fälle in der Zeit vom 11. bis 14. März, (4) anschließend eine deutlich rückläufige Zahl positiver Fälle an jeweils einzelnen Tagen vor Ende März und (5) nochmals 3 – 5 positive Fälle Ende März. Der jeweils enge zeitliche Zusammenhang der Ereignisse (2) und (3) deutet darauf hin, dass es sich dabei um Ausbruchssituationen gehandelt hat und nicht um eine sukzessive Infektionsausbreitung ‚in der Fläche‘. Ende März jedenfalls war das Infektionsgeschehen in Jena schon so stark abgeklungen, dass man einen Effekt durch die Maskenpflicht ab dem 6. April nicht mehr erwarten konnte, weil es kein dadurch prinzipiell beeinflussbares Infektionsgeschehen mehr gab.
Außerdem muss berücksichtigt werden, dass das Meldedatum der Fälle, das in der Studie verwendet wurde, keine auch nur annähernd sichere Aussage zulässt über den Zeitpunkt der Infektion, der sich nur über das Erkrankungsdatum (= Beginn der klinischen Symptomatik) genau genug festlegen lässt, wie es das RKI in seinen Modellierungsstudien praktiziert [54]. Gemäß RKI beträgt nämlich die Zeit zwischen Infektion und Meldedatum 14 – 21 Tage, und dieser Zeitraum setzt sich zusammen aus: (1) der Inkubationszeit, (2) dem Zeitverzug, bis der Patient wegen zunehmender Symptome zum Arzt geht, (3) der Zeit für die Durchführung des Tests (incl. Transport ins Labor und Auswertung im Labor), (4) den administrativen Verzögerungen bei der Meldung der Testergebnisse an das RKI sowie (5) der Publikation durch das RKI [55]. Die ‚Jena-Studie‘ geht jedoch nur von einer Verzögerung von etwa 8 Tagen [50] bzw. etwa 10 Tagen [51, 52] aus.
Mit anderen Worten: Der in dieser Untersuchung der Maskenpflicht zugeschriebene Effekt beim Rückgang der Infektionszahlen wird zum einen überlagert vom deutlichen Rückgang der positiven Tests, der überall in Deutschland einige Wochen vor Einführung der Maskenpflicht in Jena und anderswo begonnen hatte. Zum anderen muss berücksichtigt werden, dass die jeweils dem RKI gemeldeten Infektionen 14 – 21 Tage zuvor entstanden sind, die Maskenpflicht also mindestens in den ersten 2 – 3 Wochen keinen Einfluss auf die Infektionszahlen gehabt haben könnte.
Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Beurteilung eines Effekts der Maskenpflicht ist, dass in den gemeldeten Infektionszahlen immer auch Infektionen verborgen sein können, die aus Ausbruchsgeschehen, z.B. in Heimen, Krankenhäusern oder Gemeinschaftsunterkünften, stammen. Institutionelle Ausbrüche werden aber durch eine Maskenpflicht im öffentlichen Raum nicht beeinflusst, so dass ein Rückgang der Infektionszahlen in einem Ort bzw. in einer Region daran liegen kann, dass zuvor Ausbruchsgeschehen die Zahl der Infektionsfälle erhöht haben, danach aber die Fallzahlen durch das Fehlen weiterer Ausbrüche niedriger waren als vor der Einführung der Maskenpflicht. Genau das scheint auch in Jena eine wichtige Rolle gespielt zu haben, wenn man die Ereignisse (2) und (3), wie oben dargestellt, in Jena betrachtet: Es handelte sich dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit um zeitlich begrenzte Ausbrüche mit jeweils hohen Zahlen von Personen mit positiven Testergebnissen. Ausbrüche z.B. in Institutionen wie Alten-/Pflegeheimen haben jedoch immer individuelle Ursachen, die im konkreten epidemiologischen Kontext zu suchen sind, können aber durch eine Maskenpflicht beim Einkaufen oder bei der Nutzung des ÖPNV nicht beeinflusst werden. Ohne Berücksichtigung also, aus welchem epidemiologischen Zusammenhang die aus den verschiedenen Orten gemeldeten Infektionszahlen stammen (d.h. ob Ausbrüche darunter waren oder nicht), bleibt der Effekt von Masken in der Öffentlichkeit auf das Auftreten von ‚Neuinfektionen‘ (= positive Testergebnisse) notgedrungen unklar.
Insgesamt bringt auch diese Modellierungsstudie keine Ergebnisse, die eine Maskenpflicht stützen würden, weil neben der Einführung der Maskenpflicht die aufgeführten möglichen Einflussfaktoren (wahrscheinliche Ausbrüche) insbesondere aus der Zeit davor unberücksichtigt blieben. Bei diesen Einschränkungen der Studie kann leicht ein Zirkelschluss zustande kommen, weil die Autoren als Ökonomen nicht über medizinisch-epidemiologischen Sachverstand verfügen und deshalb wichtige potentielle Einflussfaktoren, wie die Frage von Ausbrüchen und ihren möglichen Ursachen, nicht in ihre Überlegungen einbezogen haben.
Es gibt zahlreiche Beispiele aus anderen Ländern, wo, wie z.B. in Spanien, trotz strengster Maskenpflicht zwischen Juli und Ende Oktober 2020 die Fallzahlen der positiv getesteten Personen extrem anstiegen, während sie in Schweden ohne Maskenpflicht im selben Zeitraum deutlich niedriger waren [55]. Dafür gibt es weitere Beispiele aus anderen Ländern: trotz Maskenpflicht stiegen die Zahlen der positiven Testergebnisse stark an [56, 57]. Man kann aber ähnliches auch für Deutschland aus den Daten des RKI sehen (Einführung der Maskenpflicht am 28. April) (z.B. in den täglichen Situationsberichten). Ebenso sagte der Leiter der österreichischen AGES (Agentur für Gesundheit), dass weder die Einführung der Maskenpflicht noch ihre Aufhebung messbare Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen in Österreich gehabt haben [58]. In den letzten zwei Monaten des Jahres 2020 hat auch in Schweden die Zahl der positiv getesteten Personen deutlich zugenommen, allerdings nicht in dem Maße wie in Österreich, wo die Maskenpflicht fast durchgängig seit dem Frühjahr 2020 gilt [58].
Auch bei all diesen empirischen Daten aus zahlreichen Ländern können Einflussfaktoren unentdeckt geblieben sein, aber auffällig ist, dass sich in keinem der Länder ein Effekt der Maskenpflicht auf die Fallzahlen zeigte.
Nach alledem ist die Wirksamkeit von Masken durch die Jena-Studie nach Auffassung des Gerichts nicht belegt.
Hinsichtlich der weiteren von der Sachverständigen ausgewerteten Studien und wissenschaftlichen Hinweise soll dagegen auf das vom Gericht erholte Sachverständigengutachten verwiesen werden.
Die Sachverständige kommt zu der Feststellung, dass alle nationalen und internationalen Gesundheitsbehörden, wenn auch zurückhaltend, entgegen der wissenschaftlich etablierten Standards der evidenzbasierten Medizin eine Einschätzung zum Tragen von Masken im öffentlichen Raum mit großer Tragweite abgegeben haben, die lediglich auf sog. plausiblen Überlegungen beruhe, was jedoch nicht ausreichen könne, um der Politik in einer solchen Lage, d.h. für den Einsatz bei Millionen von Menschen, eine wissenschaftliche fundierte Entscheidungsbasis zu vermitteln.
Nicht überraschend sei es deshalb, dass die seit dem Frühjahr 2020 publizierte Fachliteratur keine Belege für das Tragen von Masken durch die Bevölkerung in der Öffentlichkeit gezeigt habe, auch wenn die Autoren mathematischer Schätzungen dies behauptetenn und die Autoren von Meinungsbeiträgen in z.B. narrativen Reviews dafür keine Daten vorlegen könnten. Zahlreiche Mediziner verschiedener Fachgebiete und Wissenschaftler aus anderen Disziplinen verwiesen gerne auf solche ‚positiven‘ Publikationen, und zwar insbesondere häufig auf Modellierungsstudien, die für Personen mit nicht besonders fundierten mathematischen Grundlagen (bei Medizinern nicht ganz selten) ohnehin nicht nachvollziehbar seien und damit abschreckend wirkten, aber vielleicht gerade dadurch nahelegten, dass es sich um besonders aussagefähige ‚Wissenschaft‘ handeln müsse.
Das Gericht schließt sich den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen an.
b) Gefahren durch den fehlerhaften Gebrauch von Masken
Die Sachverständige führt aus, dass ein korrekter Umgang mit Masken bereits bei medizinischem Personal nicht immer leicht zu erreichen sei. Im Alltag wäre es eine unlösbare Aufgabe Millionen Bürger dazu zu bringen, die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen beim Gebrauch von Masken anzuhalten. Die Maske würde oft mit den Händen zurechtgerückt. Bei Brillenträgern führe das Beschlagen der Brille dazu, dass man oft die Brille abnehme und wieder aufsetze und damit an die Außenseite der Maske komme. Auch bei mäßig warmem Wetter schwitze man unter der Maske und gehe daher auch immer wieder an die Maske oder darunter.
Diese Einschätzung der Sachverständigen kann sicherlich von jedermann aus eigener Anschauung bestätigt werden. Selbst diejenigen Personen, die sich in Kenntnis des korrekten Umgangs mit Masken um einen solchen bemühen, werden gelegentlich unwillkürlich ins Gesicht greifen, um beispielsweise die Brille zurechtzurücken, wenn diese aufgrund der Ohrbügel der Maske herunterrutscht oder beim Betreten eines Ladens beschlägt.
Die Sachverständige führt weiter aus:
Masken würden durch den Träger beim Ausatmen und Sprechen von innen kontaminiert und könnten durch Handkontakte und respiratorische Tröpfchen anderer Personen ebenso von außen kontaminiert werden. Bei Durchfeuchtung werde die Maske (auch die professionelle medizinische) durchlässig und stelle keine Barriere mehr dar.
Daher sollten eine durchfeuchtete Maske abgenommen und gewechselt werden. Beim Auf- und Absetzen sollte die Maske möglichst nur an den Bändern angefasst werden.
Nach Absetzen der Maske sollten die Hände unter Einhaltung der allgemeinen Hygieneregeln gründlich gewaschen werden.
Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung (die nunmehr seit einem Jahr mit Unterbrechungen gesammelt werden konnte), dass kaum ein Erwachsener sich beim Einkaufen an diese Empfehlungen hält. Vielmehr kann beobachtet werden, dass viele Menschen die Masken im Auto am Innenspiegel hängen haben, nach Gebrauch in die Hosentasche oder Handtasche stopfen oder wenn diese nicht gebraucht wird einfach irgendwo ablegen, um sie später wieder aufzusetzen.
Es ist daher nachvollziehbar, dass diese Regeln im Schulalltag von Kindern nicht bzw. noch weniger zuverlässig eingehalten werden können. Es besteht daher die Gefahr, dass aus der Maskenpflicht in der Schule Kontaminationen resultieren, die zu einem wesentlichen Teil vermeidbar wären, weil die ohnehin schon häufigen Hand-Gesichtskontakte der Menschen durch die Maskenpflicht noch häufiger werden (vgl. Gutachten der Sachverständigen Kappstein auf Seite 51).
Der Sachverständige Prof. Kuhbandner führt in seinem Gutachten hierzu aus:
Hier ist anzumerken, dass eine korrekte Handhabung von Masken generell ausschlaggebend dafür ist, dass Masken überhaupt eine Wirkung entfalten können. So heißt es in der erwähnten Empfehlung der WHO zum Tragen von Masken zur korrekten Handhabung :
WHO provides the following guidance on the correct use of masks: Perform hand hygiene before putting on the mask. Inspect the mask for tears or holes, and do not use a damaged mask. Place the mask carefully, ensuring it covers the mouth and nose, adjust to the nose bridge and tie it securely to minimize any gaps between the face and the mask. If using ear loops, ensure these do not cross over as this widens the gap between the face and the mask. Avoid touching the mask while wearing it. If the mask is accidently touched, perform hand hygiene. Remove the mask using the appropriate technique. Do not touch the front of the mask, but rather untie it from behind.Replace the mask as soon as it becomes damp with a new clean, dry mask. Either discard the mask or place it in a clean plastic resealable bag where it is kept until it can be washed and cleaned. Do not store the mask around the arm or wrist or pull it down to rest around the chin or neck. Perform hand hygiene immediately afterward discarding a mask. Do not re-use single-use mask. Discard single-use masks after each use and properly dispose of them immediately upon removal. Do not remove the mask to speak. Do not share your mask with others.
Wie diese Liste eindrücklich klarmacht, stellt das korrekte Tragen von Masken hohe Anforderungen an die maskentragende Person. Allein angesichts dessen, dass Schüler*innen bei einer Maskenpflicht im Unterricht Masken relativ durchgängig bis zu 10 Stunden pro Tag tragen müssen (Schulbus, Schulgelände, Vormittags- und Nachmittagsunterricht) ist eine korrekte Handhabung an Schulen kaum umzusetzen. Hinzu kommt bei jüngeren Schüler*innen, dass eine korrekte Handhabung kognitive Anforderungen stellt, welche bei jüngeren Kindern entwicklungsbedingt nicht gegeben sind. Da beispielsweise der Präfrontalkortex bis in etwa zum Beginn des Jugendalters noch nicht vollständig ausgereift ist [15], ist das Verhalten von Kindern stark durch automatisierte Verhaltenstendenzen gesteuert, welche nur bedingt vom Kind selbst reguliert werden können. So sind Anforderungen wie das Nichtberühren der Maske von Kindern kaum umzusetzen. Damit besteht die Gefahr, dass beim Maskentragen von Kindern das durch die falsche Handhabung bedingte erhöhte Infektionsrisiko den laut den randomisierten kontrollierten Studien geringen bis nicht vorhandenen Nutzen überwiegt.
Das Gericht schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen an. Wohl kaum eine andere Personengruppe als die Schüler muss derzeit über einen derart langen Zeitraum am Tag Masken tragen (falls überhaupt Unterricht stattfindet). Die Empfehlungen der WHO, vor dem Aufsetzen der Maske eine korrekte Handhygiene umzusetzen ist kaum möglich, weil schon vor dem Betreten der Schule, die Masken aufgesetzt werden müssen. Es ist während des Unterrichts nicht möglich, nach einem versehentlichen Berühren der Maske die Handhygiene durchzuführen. Wie die Sachverständige Kappstein ausgeführt hat, wird die Häufigkeit der Hand-Gesichtskontakte durch das Tragen der Masken noch erhöht. Die meisten Schüler bis zu einem Alter von 15 Jahren sind, wie der Sachverständige Kuhbandner ausführt nicht in der Lage, diese automatisierten Handlungsabläufe zu kontrollieren. Oft wird den Schülern bei Durchfeuchtung der Maske auch keine Wechselmaske zur Verfügung stehen bzw. werden Einmalmasken entgegen der Empfehlung wieder verwendet werden.
⇒ Zusammenfassend besteht demnach die Gefahr, dass die Maskenpflicht an Schulen dazu führt, dass die Verbreitung des Virus nicht eingedämmt, sondern eher gefördert wird.¹
2. Unverhältnismäßigkeit der Zweck-Mittel-Relation
Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten, dass hier Abwägung der kollidierenden Grundrechte stattzufinden hat. Die Verwaltungsgerichte haben hierzu stets angeführt, dass dem Schutz des Lebens Vorrang zu geben ist (beispielsweise Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 30. März 2020 – 20 NE 20.632 –, juris).
Murswiek führt in einer Stellungnahme für den Rheinland-Pfälzischen Landtag aus:
„Der Staat hat eine grundrechtliche Pflicht zum Schutz von Leben und Gesundheit, und zwar auch zum Schutz vor Lebens- und Gesundheitsrisiken; sie ergibt sich aus Art. 2 Abs. 2 GG. Die Schutzpflicht besteht freilich nicht absolut, sondern auf jeden Fall dürfen die zum Schutz eingesetzten Mittel nicht gegen andere Grundrechte verstoßen; bei Grundrechtskonflikten muss abgewogen werden. Jedenfalls hat der Schutz gegen Covid-19 in der Abwägung dann ein besonderes Gewicht, wenn der Staat jedenfalls dem Grunde nach zum Schutz verpflichtet ist. Deshalb ist in der Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit des Lockdown verschiedentlich das Argument vorgebracht worden, wegen der staatlichen Schutzpflicht für Leben und Gesundheit sei der Lockdown gerechtfertigt. Dieser Schluss ist nicht nur deshalb ein Kurzschluss, weil das Bestehen einer Schutzpflicht nicht von der Abwägung dispensiert. Er ist schon deshalb falsch, weil die Prämisse nicht stimmt. Denn eine strikte grundrechtliche Schutzpflicht gibt es nur gegenüber menschlichen Eingriffen in die Freiheit beziehungsweise gegen menschliche Beeinträchtigungen grundrechtlicher Schutzgüter. Die Freiheitsrechte schützen die Entschließungsfreiheit des Einzelnen inklusive der Freiheit, über die eigenen grundrechtlichen Schutzgüter zu verfügen; sie schützen mit anderen Worten die individuelle Autonomie. Diese wird in der abwehrrechtlichen Dimension gegen staatliche Eingriffe und in der Schutzpflichtdimension gegen Eingriffe Dritter geschützt – in jedem Fall also gegen menschliche Eingriffe. Durch Naturereignisse, auch durch Naturkatastrophen, können Schutzgüter gefährdet, verletzt und zerstört werden; aber man kann nicht sinnvoll behaupten, dass sie die individuelle Autonomie berühren. Die Entscheidungsfreiheit des Einzelnen, die individuelle Autonomie, besteht denknotwendig immer im Rahmen nicht nur physikalischer Gesetzmäßigkeiten, sondern auch im Rahmen der durch unsere natürliche Umwelt vorgeformten Gegebenheiten. Eine Epidemie oder eine Pandemie ist deshalb kein Freiheitseingriff, gegen den grundrechtlich verbürgte Freiheitsrechte schützen können.
Das bedeutet nicht, dass der Staat nicht zum Schutz gegen Naturkatastrophen oder Epidemien verfassungsrechtlich verpflichtet ist. Es bedeutet nur, dass sich eine solche Verpflichtung nicht aus den Freiheitsrechten – hier: aus dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit – ergibt. Sie lässt sich staatstheoretisch aus dem fundamentalen Staatszweck ableiten, die Existenzgrundlagen der staatlich organisierten Gemeinschaft zu sichern. Und sie lässt sich verfassungsrechtlich auf das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) i.V.m. dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) stützen. Die sozialstaatliche Schutzpflicht unterscheidet sich hinsichtlich ihres Gegenstandes von der freiheitsrechtlichen Schutzpflicht dadurch, dass sie nicht die individuelle Autonomie, sondern die sozialen Existenzvoraussetzungen schützt. Und hinsichtlich des Gewährleistungsumfangs unterscheidet sie sich von der grundrechtlichen Schutzpflicht dadurch, dass der Staat hinsichtlich der Verwirklichung des Schutzes der faktischen Lebensvoraussetzungen einen viel größeren Gestaltungsspielraum hat als hinsichtlich des Schutzes gegen menschliche Eingriffe in Leben und Gesundheit. Während in Bezug auf menschliche Eingriffe die Pflicht zum Schutz grundsätzlich dann besteht, wenn das Risiko so groß ist, dass es rechtlich als „Gefahr“ zu qualifizieren ist, besteht im Hinblick auf allgemeine Lebensrisiken, zu denen die Risiken von Naturkatastrophen oder Epidemien gehören, ein großer Spielraum für die Bestimmung des anzustrebenden Schutzniveaus. Eine verfassungsrechtliche Handlungspflicht zum Schutz der Allgemeinheit gegen Covid-19 könnte deshalb nur dann angenommen werden, wenn die von der Epidemie ausgehenden Risiken derart groß wären, dass ohne staatliche Maßnahmen entweder die Existenzgrundlagen des Gemeinwesens oder der Gesamtheit der in diesem Gemeinwesen organisierten Menschen auf dem Spiel stünden. Davon kann in Bezug auf Covid-19 keine Rede sein.“ (https://dokumente.landtag.rlp.de/landtag/vorlagen/2-12-17.pdf).
Nimmt man diese Ausführungen ernst, so kann ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit von Schulkindern niemals abstrakt durch die Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus gerechtfertigt werden. Die Abwägung findet nicht auf der Ebene des Schutzes von Leben und den tangierten Grundrechten des Kindes statt, sondern auf der Ebene des Schutzes der Grundrechte der Kinder gegenüber dem Anspruch des Staates, die Pandemie zum Schutze der Allgemeinheit einzudämmen.
Die auf dieser Ebene getroffenen Einschränkungen der Grundrechte der Kinder sind unverhältnismäßig in Bezug auf die Zweck-Mittel-Relation.
Noch deutlicher wird dies, wenn man sich vor Augen führt, dass, wenn man der Lancet-Studie folgend davon ausgeht, dass Masken grundsätzlich geeignete Instrumente zum Schutz vor der Ausbreitung des Virus sind, die Effektstärke des Maketragens von Schulkindern extrem gering ist. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige Kuhbandner erläutert dies in seinem Gutachten wie folgt: „Geht man von den nicht signifikanten Effektgrößen im erwähnten aktuellen Cochrane Review aus, wonach die Ansteckungswahrscheinlichkeit beim Tragen von medizinischen Masken maximal in etwa um 10 Prozent reduziert wird, würde sich das Ansteckungsrisiko auf der Ebene einer Schulklasse von 0,25 Prozent auf 0,225 Prozent verringern, was einer absoluten Risikodifferenz von 0,025 Prozent entsprechen würde. Es müssten demnach die Schüler*innen in 4.000 Grundschulklassen für eine Woche eine Maske tragen um eine einzige Ansteckung zu verhindern. Das ist eine extrem kleine Effektstärke und es müssten demnach knapp 100.000 Grundschüler die möglichen Nebenwirkungen des Maskentragens auf sich nehmen um eine einzige Ansteckung pro Woche zu verhindern.
Wenn man annimmt, dass Masken die Ansteckungswahrscheinlichkeit in der Größenordnung von 80 Prozent verringern würden (Ergebnis der in der S3-Leitlinie erwähnte Meta-Analyse von Chu et al. zu Beobachtungsstudien mit niedriger Qualität der Evidenz, siehe [23]), würde sich das Ansteckungsrisiko auf der Ebene einer Schulklasse von 0,25 Prozent auf 0,05 Prozent verringern, was einer absoluten Risikodifferenz von 0,2 Prozent entsprechen würde. Hochgerechnet auf die Number Needed to Treat müssten demnach noch immer die Schüler*innen in 500 Grundschulklassen für eine Woche eine Maske tragen und damit knapp 12.500 Grundschüler*innen die möglichen Nebenwirkungen auf sich nehmen um eine einzige Ansteckung pro Woche zu verhindern.“
Wie allgemein bekannt ist, bedeutet eine Ansteckung nicht notwendig eine schwere Erkrankung des Betroffenen oder gar dessen Tod. Viele Ansteckungen verlaufen mit milden oder grippeähnlichen Symptomen.
Angesichts des mit der Verpflichtung zum Masketragen allenfalls verbundenen Nutzens im Vergleich zur damit verbundenen Schädigung der Kinder ist diese Verpflichtung unverhältnismäßig.
Die Anordnung der Maskenpflicht an Schulen gem. § 18 Abs. 2 der Bayerischen Infektionsschutzverordnung ist daher verfassungswidrig und damit nichtig.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Ausnahmevorschrift des § 2 der Verordnung.
Danach sind Personen, die glaubhaft machen können, dass ihnen das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung aufgrund einer Behinderung oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich oder unzumutbar ist, von der Trageverpflichtung befreit; die Glaubhaftmachung erfolgt bei gesundheitlichen Gründen insbesondere durch eine ärztliche Bescheinigung, die die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie den Grund, warum sich hieraus eine Befreiung der Tragepflicht ergibt, enthält;
Wie gerade der vorliegende Fall anschaulich zeigt, sind selbst Personen, die ein den Anforderungen der Vorschrift genügendes Attest vorweisen können, nicht davor gefeit, dass dieses nicht anerkannt wird. Aus der Norm ergibt sich nicht, wem im Zweifel das Attest vorzulegen ist und wer zu dessen Überprüfung berufen ist.
Das OVG Berlin-Brandenburg hat in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass die Offenlegung von Gesundheitsdaten in einem Attest nicht notwendig ist, weil dies für den Betroffenen zur Folge hätte, dass er seine konkrete Diagnose und sich daraus ergebene Folgen an einer Vielzahl von auch nicht öffentlichen Stellen offenbaren müsste, wobei es sich hierbei um personenbezogene Gesundheitsdaten handelt, die besonders sensibel sind und daher einem besonders hohen Datenschutz unterfallen.
Dass auch Private zur Kontrolle der Atteste verpflichtet seien, ergäbe sich bereits daraus, dass sie die Einhaltung der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung sicherzustellen hätten und widrigenfalls eine Ordnungswidrigkeit begingen.(Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 04. Januar 2021 – OVG 11 S 132/20 –, Rn. 25 – 26, juris). Diese Problematik besteht im vorliegenden Fall nicht in gleichem Ausmaß, da die Befreiung von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung vorliegend lediglich dem Schulleiter vorgelegt werden muss, der hierüber zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.
Allerdings bestünde auch in dem Fall, dass die Schulleitung das Attest anerkennen würde, eine nicht zur rechtfertigende Gefahr der Isolation und Diskriminierung der betroffenen Kinder, der das Gericht in Ziff. 2 des Beschlusses vorsorglich begegnet ist, auch wenn die Betroffene bestätigt hat, dass sie an ihrer Schule nicht von Diskriminierung betroffen war.
Dem Gericht ist jedoch beispielsweise aus der lokalen Presse (https://www.merkur.de/lokales/weilheim/wessobrunn-ort377060/aerger-um-maskenpflicht-im-unterricht-90046679.html) bekannt, dass Schulleiter meinen, Kinder mit einem entsprechenden Attest vom übrigen Klassenverband isolieren zu müssen, obwohl die Bayerische Infektionschutzmaßnahmenverordnung an sich schon keine Rechtsgrundlage hierfür bietet. So musste ein hiesiger Mittelschüler völlig isoliert von seinen Schulkameraden alleine in einem Klassenzimmer sitzen.
Prof. Kuhbandner führt hierzu aus (S. 26):
Schließlich gibt es noch negative Nebenwirkungen auf psychischer Ebene für Kinder, welche aus medizinischen Gründen keine Maske tragen dürfen. Hier besteht die Gefahr, dass solche Kinder – begründet mit hygienetechnischen Argumenten – diskriminiert und aus dem sozialen Klassenverbund ausgeschlossen werden, mit negativen Folgen für das psychische und soziale Wohlbefinden. Mir sind Fälle bekannt, wo Kinder, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können, den ganzen Schultag über gelbe Armbinden tragen müssen. In einem anderen Fall ist im Klassenzimmer und im Pausenhof eine Ecke abgeklebt, in der sich Kinder, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können, aufhalten müssen. Belegt wird die Gefahr der Diskriminierung auch dadurch, dass im oben beschriebenen Register zu den Nebenwirkungen des Maskentragens bei Kindern als eine der Ängste die Angst vor Stigmatisierung sowohl durch das Tragen als auch durch das Nichttragen einer Maske im sozialen Umfeld genannt wird.
Verstärkt wird die Gefahr einer solchen Diskriminierung durch fragwürdige Aussagen von Experten in den Medien. So sagte die Jugendpsychiaterin Dr. Biskup-Meyer in einem SZ-Interview zur Maskenpflicht in der Grundschule [79]:
„Wenn die Lehrer eine Maske tragen und den Schülern glaubhaft vorgemacht wird, dass dies gerade notwendig ist, dann sind Grundschulkinder sicher diejenigen, die sich am bereitwilligsten daran halten. Dazu gehört auch, dass eine Einheit in der Klasse besteht, weil alle eine Maske tragen.“
Wird Kindern durch die Lehrkräfte eine Notwendigkeit des Maskentragens stark vermittelt und entsteht aufgrund sozialer Dynamiken ein entsprechender Gruppendruck, ist die Gefahr umso größer, dass manche Kinder diskriminiert werden.
Hinzu kommt, dass Kinder, welche aus medizinischen Gründen keine Maske tragen dürfen, dadurch in eine psychische Lage kommen, welche für das Kind nicht positiv auflösbar ist. Egal, wie sich das Kind verhält, ergeben sich negative Konsequenzen: Trägt das Kind keine Maske, wird es sozial ausgegrenzt, trägt das Kind die Maske, treten körperliche Leiden ein. Eine solche Lage kann mit sehr negativen psychischen Konsequenzen verbunden sein bis hin zur Entwicklung von psychischen Störungen.“
Diese Problematik kann nicht durch eine verfassungskonforme Auslegung der Normen aufgelöst werden, weil der mit dem Masketragen verbundene soziale Druck gerade erwünscht ist, da der Verordnungsgeber meint, mit einer möglichst lückenlosen Durchsetzung der Maskenpflicht die Ausbreitung des Virus am besten eindämmen zu können. Dies verdeutlicht der Werbeslogan: „ Man muss die Maske nicht mögen, man muss sie nur tragen“. Dieser Satz diskriminiert Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen keine Maske tragen können.
Es ist, gerade für ein Schulkind unmöglich, diesem Gruppendruck mit sachlichen Argumenten zu begegnen und im vorliegenden Fall erstaunlich, dass es dem betroffenen Kind bislang gelungen ist. Dass dies jedoch immer schwieriger wird, zeigt die Äußerung des Kindes, dass seine Freundin jetzt eben Maske trage, was es selbst leider nicht könne. Das Kind würde gerne die Maske tragen, wenn diese ihm nicht die entsprechenden Beschwerden verursachte. Es ist anzunehmen, dass zahlreiche Kinder unter diesem bestehenden Gruppendruck sich nicht trauen werden, ihre Beschwerden zu offenbaren oder die Maske aus eigenem Antrieb abzunehmen, wenn es ihnen nicht gut geht. Es besteht auch die Gefahr, dass sie, soweit ihre Eltern überhaupt bereit und in der Lage sind, mit ihnen zur Erlangung eines Attestes zum Arzt zu gehen, von diesem nicht ernst genommen werden, da die Diagnose ja, abgesehen ggf. von Asthmapatienten in der Regel nur wird auf Schilderungen des Kindes beruhen können.
Auch die Ärzte unterliegen dem bereits erfolgreich etablierten Gruppendruck und noch dazu der realistischen Gefahr, dass sie im Falle der Ausstellung von Maskenattesten die Durchsuchung ihrer Praxis unter dem Verdacht des Ausstellens falscher Gesundheitszeugnisse befürchten müssen.
Die Korrespondenz der Eltern mit der zuständigen Mitarbeiterin des Ministerialbeauftragten zeigt außerdem, dass die Exekutive an Maskenbefreiungen derart hohe Hürden knüpft, dass sie von kaum einem Betroffenen mehr werden überwunden werden können.
§ 18 Abs. 2 der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung ist daher auch in der Zusammenschau mit § 2 keiner verfassungskonformen Auslegung zugänglich und kann daher nicht zur Rechtfertigung der gegenüber dem Kind getroffenen Maßnahmen dienen.
Die Schulleiter und Klaßleiter können sich zur Anordnung einer Maskenpflicht an den Schulen nicht auf diese Verordnung berufen.
Die Eltern sind nicht in der Lage, die Gefahr, die von diesen Anordnungen für ihr Kind ausgeht, abzuwenden.
Mit der Anordnung solcher Maßnahmen wird das Wohl der Kinder, wie dargestellt, gefährdet, § 1666 BGB. Die Lehrkräfte dürfen sie deshalb nicht anordnen.
IV. Erforderlichkeit des Tätigwerdens im Wege der einstweiligen Anordnung:
Es erscheint nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand sehr wahrscheinlich, dass dieses Ergebnis im Hauptsacheverfahren bestätigt wird. Weitere Ausführungen bleiben einer Entscheidung dort vorbehalten.
Im Rahmen einer Folgenbetrachtung sind beim Erlass einer einstweiligen Anordnung die Nachteile abzuwägen, die sich ergeben, wenn die von den Eltern der Kinder angestrebte Regelung durch das Familiengericht zunächst im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht getroffen wird, dann aber doch später im Hauptsacheverfahren, und die Auswirkungen, die sich ergeben, wenn das Familiengericht die von den Eltern der Kinder angestrebte Regelung bereits im einstweiligen Anordnungsverfahren trifft, aber später im Hauptsacheverfahren nicht bestätigt.
Die Nachteile für die Kinder, wenn die angestrebte Regelung durch das Familiengericht verzögert wird, überwiegen dabei erheblich.
Die Eltern sind jedenfalls nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, § 1666 BGB. Mit Blick auf das Ende der Osterferien besteht auch ein dringendes Bedürfnis, sofort tätig zu werden.
Nach all dem war die aus dem Tenor ersichtliche Entscheidung geboten.
V. Geltungsbereich der Anordnung:
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Weimar (Beschluss vom 08.04.2021, Az. 9 F 148/21), geht das Gericht davon aus, dass der Beschluss lediglich zwischen der beteiligten Schulleitung und der Betroffenen wirkt, da ansonsten alle Kinder der Schule hätten beteiligt und gehört werden müssen. Es muss jedoch allen, die den Beschluss und insbesondere die Ausführungen des Sachverständigen Kuhbandner kennen, klar sein, dass jeder, der ein Kind entgegen dessen Willen über einen längeren Zeitraum zwingt, eine Maske zu tragen, eine Gefährdung dessen Wohls verursacht und damit ohne rechtfertigenden Grund in dessen Rechte eingreift. Auch ohne dass deshalb jedes Mal ein Verfahren gem. § 1666 BGB gegen diese Personen eingeleitet werden müsste, sind diese Personen gehalten, die Rechte der Kinder zu respektieren und gebietet es der Schutz aller betroffenen Schüler, dass diese nicht zum Tragen der Maske gezwungen werden dürfen. Ein Schulleiter oder Lehrer, der dies in Kenntnis der damit verbundenen Gefahren dennoch tut, wird sich in dem Fall, dass die Gefährdung eine tatsächliche Schädigung des betroffenen Kindes zur Folge hat, nicht darauf berufen können, er habe die Gefahr nicht gekannt oder sei durch irgendeine Infektionsschutzverordnung oder ein Hygienekonzept hierzu gezwungen gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 51 Abs. 4, 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Für die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung gelten die allgemeinen Vorschriften.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Der Beschluss ist nicht anfechtbar.
Auf Antrag ist gemäß § 54 Abs. 2 FamFG eine mündliche Verhandlung durchzuführen und auf Grund mündlicher Verhandlung erneut zu entscheiden.
Richterin am Amtsgericht
____________________________________
Beschluss Amtsgericht Weilheim i.OB
Der Beschluss als pdf Weilheim_untersagt_Maskenpflicht 2 F 192/21 Seiten 01-31
Beschluss Amtsgericht Weimar, Beschluss vom 08.04.2021, Az.: 9 F 148/21
Der Beschluss als pdf Amtsgericht Weimar 9-F-148-21 Seiten 01-178
Zusammenfassung Beschluss des Amtsgerichtes in Weimer als Video auf Facebook
Beschwerde gegen Amtsrichter-Beschluss auf LTO Legal Tribune Online
Link: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/ag-weimar-9-f-148-21-familienrichter-schule-corona-rechtsmittel/
Beschluss Amtsgericht Heidelberg
Der Beschluss als pdf Amtsgericht Heidelberg Prof. Dr. Christian Drosten 16 OWi 510 Js 28413/20 Seite 01
Der vom Amtsgericht Heidelberg anonymisierte Text des Beschlusses mit Aktenzeichen 16 OWi 510 Js 28413/20 wörtlich:
In dem Bußgeldverfahren gegen
… (geb. …), geboren am … in …, wohnhaft: … Verteidiger: Rechtsanwältin …, …, …, GZ.: … |
wegen Verstoß gegen d. Infektionsschutzgesetz und d. Corona-Verordnung
–
hat das Amtsgericht Heidelberg durch den Richter am Amtsgericht … am 04.02.2021 beschlossen:
Zu der Behauptung der Verteidigerin, dass ein PCR-Test keine Infektion im Sinne des § 2 Infektionsschutzgesetz nachweisen könne, soll ein schriftliches Sachverständigengutachten erhoben werden.
Zum Sachverständigen wird antragsgemäß bestimmt:
Hr. Prof. Dr. Drosten, Charité Berlin
…
Richter am Amtsgericht
Familienrichter Hans-Christian Prestien:
Interview mit Hans-Christian Prestien, Familienrichter a.D. auf Facebook
Richter Hans-Christian Prestien mit deutlichen Worten zum Sensationsurteil aus Weimar [ Video ]
§ 225 Misshandlung von Schutzbefohlenen
(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die
1. seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,
2. seinem Hausstand angehört,
3. von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder
4. ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, quält oder roh misshandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, sie an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr
1. des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder
2. einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt.“
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¹Die Hervorhebungen durch Pfeil, Absätze, Fett- und Rotschreibweise wurden vom Herausgeber vorgenommen.