Hauptsacheverfahren Elsässer ./. Ditfurth
2014-10-09
München. Im Sitzungssaal 219 des Landgerichts I in München fand am 2014-10-08 der Prozess Jürgen Elsässer gegen Jutta Ditfurth wegen Unterlassung statt. Direkt vor dem Gebäude auf der Prielmayerstraße gab Elsässer noch vor Prozessbeginn ein Interview vor laufender Kamera. Der Einlass polizeikontrolliert wie immer. Aber freundlich und hilfsbereit. Auf Stockwerk zwei des historischen Gebäudes Raunen, das auf eine große Zuhörerschaft schließen ließ und auf dem Flur dann direkt vor dem Sitzungssaal Gedränge. Befürworter und Gegner wollten einen guten Platz der ca. 80 Sitzgelegenheiten des Saales ergattern.
‚Glühender Antisemit‘ = Beleidigung ?
Vor weitaus mehr als 60 Zuhörern wurde dann auch pünktlich der Prozess begonnen, der seinen Ursprung auf der politischen Bühne Deutschlands zu suchen hatte, vielleicht auch oder eher auf einer Bühne der deutschen Vergangenheit, aber nicht vergessener deutscher Schmerzen, ungeheilter Befindlichkeiten und hoher oder überhöhter Sensibilität und Ängsten.
Jutta Ditfurth, Politikerin und Autorin u.a. „Der Baron, die Juden und die Nazis: Reise in eine Familiengeschichte (Zeitgeschichte)“, ist von Jürgen Elsässer, Herausgeber des Polit-Magazins Compact beklagt, ihn als ‚Glühenden Antisemiten‘ bezeichnet und diffamiert zu haben. Diesen Ausdruck habe die Beklagte bei einer Fernsehsendung, in der sie sich mit dem Aufkommen und den Agitatoren der ‚Neuen Montags-Mahnwachen‘ für den Frieden beschäftigte, auf Jürgen Elsässer angewandt.
Wer oder was steckt dahinter ?, fragte sich die Richterin
Die vorsitzende Richterin des Landgerichtes München Gröncke-Müller zog die Friedensstifter namentlich in den Gerichtssaal herein. Es handle sich um Ken Jebsen, Jürgen Elsässer und um Lars Märholz, die führend für die ‚Neuen Montags-Mahnwachen‘ ständen. Zu hören waren weitere Begriffe wie rechtsesoterischer Kreis, Antisemitismus etc. Der Begriff Antisemit beinhalte das, so die Richterin, was aufgrund der deutschen Geschichte mitschwinge.
Geht es bei der Äußerung des Begriffes ‚Glühender Antisemit‘ um die Verletzung des Persönlichkeitsrechts ?
Gröncke-Müller wörtlich: „Ich neige dazu, obwohl es eine politische Auseinandersetzung ist …, dass ‚Glühender Antisemit‘ jenseits der Grenzen ist.“ Und weiter: ‚Glühender Antisemit‘ sei ein Totschlagargument, es stelle in eine Ecke, aus der der Titulierte nicht mehr herauskomme. „Das ist ein Schritt zu weit.“ Es sei eine deutliche Verstärkung dessen, was man zum Ausdruck bringen wolle. Gleichzeitig auch schwierig in Bezug auf die Frage „Wie weit darf ich gehen, wie provokant darf ich sein ?“, so Gröncke-Müller.
Stigmatisierung und existentielles Aus für Herausgeber des Magazins Compact ?
Der Klagevertreter unterstrich diese Eingangsbetrachtung der Richterin mit noch schärferen Begriffen, um die Auswirkungen auf seinen Mandanten herauszukristallisieren.
Diese Beschimpfung sei eine Bezeichnung wie Schwein, Affe, ein Totschlagargument, mit dem man aus dem Verkehr gezogen werden solle. Eine Stigmatisierung. Mit einem derart gezeichneten Mal wolle niemand etwas mit einem zu tun haben. Wörtlich auf den Schaden hinweisend: „Kein Mensch lädt ihn (Elsässer) mehr ein. Er ist Chef eines Magazins !“
Während der Parteienvorträge war der Raum mehrfach durch den lauten Einsatz von Martinshörnern gestört, so dass vieles im hinteren Teil des Zuhörerraums von den Prozessbeobachtern nicht mehr verstanden werden konnte.
Ditfurth als Schreckschraube der Antifa bezeichnet
Als Jutta Ditfurth nach ihrem Beklagtenvertreter zu Wort kommt, holt sie weit aus. Sie geht auf die gemeinsame Vergangenheit bei Linken und beim Kommunistischen Bund ein. Die Entwicklung Elsässers habe sie beobachtet.
Es gäbe so viel Material, eine solche Entwicklung gehe über Jahre und es sei auch in Büchern beschrieben, wie die Wege von „links“ nach „rechts“ verliefen. Wörtlich: „Ich glaube, es macht ihm (Elsässer) Spaß sich ‚rechts‘ zu äußern, versteckt zu äußern Erst mal ein Schritt vor, dann wieder etwas zurück.“ Ditfurth äußerte sich auch zur ‚Neuen Friedensbewegung‘ und teilte dem Gericht mit, dass Elsässer sie als ‚Schreckschraube der Antifa‘ bezeichnet habe.
„Ich habe mich nie von Holocaustleugnern einladen lassen !“
Als Ditfurth in ihrem ausführlichen Statement noch weiter ausholt und die Familie Rothschild mit aufs Tablett nimmt, blockt die Richterin dann doch ab. Ditfurth verlangt daraufhin noch einen weiteren Satz sagen zu dürfen. Nach dessen Gewährung durch die Richterin fragt Ditfurth: „Darf ich ihn nicht als ‚Glühenden Antisemiten‘ benennen, wenn er sich mit Rechten umgibt und sich einladen lässt ?“
Der Klägervertreter betonte, dass man das sagen dürfe, wenn ein Urteil bestehe, dann sei das „egal, ob das auch von Frau Jutta Dithfurth kommt.“
Elsässer entgegnet Ditfurth scharf: „Ich habe mich nie von Holocaustleugnern einladen lassen !“
‚Glühender Antisemit‘ ist Killerwort, einem sozialen Massenmord für den Bezeichneten gleichkommend
Helmut Markwort habe 2002 bereits geäußert, einen Deutschen einen Antisemiten zu nennen, das wäre ein Killerwort, einem Massenmord gleich ! Dies träfe bei der Äußerung ‚Schreckschraube‘ nicht zu, zementiert Elsässer. Bei einem Journalisten sei eine Äußerung in Richtung Antisemitismus existenzminimierend. Er selbst stünde in Kontakt und direktem Umgang mit Politikern. Mit solch einer Stigmatisierung könne er seinen Beruf an den Nagel hängen. Nach diesem Vorgehen Jutta Ditfurths würde er sozial gekillt werden. Bislang habe sie auch noch keine Beweise erbracht. Sie habe sogar in Facebook einen Aufruf gemacht, dass man ihr helfen solle, ihre Behauptung mit Beweisen zu untermauern. Elsässer äußerte in Richtung auf die Beklagte, er hätte kein Problem damit gehabt, wenn sie ihn als ‚Schreckschrauberich‘ bezeichnet hätte. Leichtes Amüsement machte sich in den Zuhörerreihen breit, fast ein Hinweis auf ein alt-keifendes Polit-(Ehe)paar, wenn die Lage nicht so ernst gewesen wäre.
Der Aussage, Ditfurth habe keine Beweise erbracht, widersprach die Richterin und meinte, dass Jutta Ditfurth in ihren Schriftsätzen hier anderer Meinung wäre.
Elsässer empört: „Aber hallo !“
Elsässer fuhr fort und wiederholte in bissiger Manier die heruntergeregelte Aussage Ditfurths über ihn, ‚glühend‘ solle ’subtiler und subkutaner‘, ‚glühend solle im Verborgenen glimmend‘ bedeuten, also ‚im Untergrund‘ … „Aber Hallo!“, rief Elsässer empört aus !
Ditfurth versuchte ihre Absicht nochmals zu erklären. Doch Elsässer unterbrach und sagte klar: „Ihr Ausdruck ist ‚Glühender Antisemit‘ !“, woraufhin der Klägervertreter unterstreichend erweiterte: „Also ein ganz besonders schlimmer Antisemit !“
Nachdem der Beklagtenvertreter die Klageabweisung beantragt hatte, betonte der Klägervertreter, dass Jürgen Elsässer niemals mit Jebsen und Märholz gemeinsam aufgetreten sei. Dies wolle er zu Protokoll gegeben wissen.
Die Urteilsverkündung findet am 19. November 2014 um 09:30 Uhr statt.
Kommentar
Streiten sich zu Unruhezeiten: Jutta Ditfurth und Jürgen Elsässer.
Will Ditfurth tatsächlich das AUS von Jürgen Elsässer oder ist sie, was ‚rechtes‘ Gedankengut angeht, sensibilisiert oder hypersensibilisiert ?
Gibt es zu dem Begriff ‚Glühender Antisemit‘ auch den Begriff ‚Glühender Prosemit‘ ?
Ist der letztgenannte Begriff auch eine Verleumdung ? Gibt es zum Begriff ‚rechtsesoterisch‘ auch den Begriff ‚linksesoterisch‘ und ist dies dann Jutta Ditfurth ? Gibt es auch in der Literatur beschriebene Wege von ‚rechts‘ nach ‚links‘ und nicht nur solche von ‚links‘ nach ‚rechts‘ ? Oder welche von oben nach unten, von hinten nach vorne und umgekehrt ? Gehören Positionierungen und deren Verlassen nicht zum ganz normalen Wahnsinn des menschlichen Lebens, dienen der eigenen Bewusstwerdung ?
Tun wir im Grunde genommen nicht jedem einzelnen Menschen Unrecht, wenn wir Bezeichnungen über ihn stülpen ? Ist diese Art von Angriff letztendlich nicht ein altes, daher abzulegendes Polit-Spiel um Macht und Anerkennung ?
Ditfurth und Elsässer: Offene Diskussion über die Etablierung des Weltfriedens im Fernsehen ?
Wäre es nicht besser gewesen, Jutta Ditfurth hätte mit Jürgen Elsässer eine offene Diskussion über die Etablierung des Weltfriedens im Fernsehen geführt ?
Für diese Idee ist es noch nicht zu spät. Kulturzeit in 3SAT oder auch andere Sender könnten doch beide – Autor und Journalist – einladen, sie also auf die Bühne der Aussprache bitten und somit ein Zeichen für den Weltfrieden setzen.
Und in dieser Sendung könnte jeder von sich und seinen ureigenen Beweggründen sprechen, warum er sich für welche Richtung einsetzt und was sein Ziel ist. Das wäre doch Frieden. Zumindest ein Schritt zum Frieden. Kein Überstülpen, kein Fixieren und kein Beleidigen mehr, sondern ein Einsatz für sich selbst und somit für alle Bürger auf dieser Welt, ein Einsatz, der sich für alle lohnt und nicht nur für die Polarisierer, für Autoren und Journalisten oder für Leser von Büchern und Magazinen.